Der Krieg hat begonnen Marc Ruef | 12.07.2005 Der erste Weltkrieg war der Krieg der Chemiker. Der zweite Weltkrieg war der Krieg der Physiker. Und der dritte Weltkrieg? Es gibt einige Denker, die den Krieg gegen den Terrorismus als den dritten Weltkrieg bezeichnen und diesen den Krieg der Kryptologen nennen. In der Tat, Informationen und nicht Bomben sind das, was diesen Krieg entscheiden wird. Nach den schrecklichen Anschlägen in London hatten die Medien endlich wieder etwas schockierendes zu berichten. CNN lieferte über Tage eine Dauerschaltung nach England, wärmte die gleichen Spekulationen immer und immerwieder neu auf. Eine der ersten Kommentare des hiesigen Radios war: "Auch die Schweiz könnte wieder von Anschlägen heimgesucht werden." Ja, absolut! Aber wieso muss dies erwähnt werden? Die Gefahr von Bombenanschlägen existiert seit der Erfindung des Schwarzpulvers im 14ten Jahrhundert. Meines Erachtens stellt eine solche Erwähnung der Medien nur die Schürung der Angst dar. Schlimmer als der Krieg ist die Furcht vor dem Krieg, wie schon der römische Politiker Seneca vor fast 2000 Jahren wusste. In der heutigen Zeit kann dieser psychologische Determinismus aber mehrdennje wirtschaftlich genutzt werden. Er soll das Interesse an den Meldungen erhöhen, Zuhörerzahlen und Werbeeinnahmen sichern. Aber auch direkte politische Ziele können mit derlei Publikationen verfolgt werden. London verzeichnet Tage nach den Anschlägen die höchste Terrorwarnstufe (http://www.20min.ch/news/ausland/story/16375940). Es wird keine Wochen dauern, bis im Parlament für ein höheres Budget für Terrorabwehr und die Kriegsmaschinerie geworben wird. Der Krieg gegen den Terror wird von George W. Bush Jr. angeführt. Oder muss ich eher sagen "wurde"? Denn der jüngst von Hillary Clinton mit Alfred E. Neumann verglichene (http://www.20min.ch/news/ausland/story/16558464) Zeitgenosse hat sich bisher sehr zurückgehalten, wenn es um die Unterstützung Englands in Bezug auf die jüngsten Attentate geht. Aber das britische Volk ist für ihn wohl eh nur ein Haufer Abtrünniger in der Sache um den Irak. Schliesslich war die Mehrheit der Engländer mittlerweile der Meinung, dass der Einmarsch in das ferne Land ungerechtfertigt war... Nur aus Fehlern wird man klug? Nach den Bombenanschlägen dürfte das Volk die ehemaligen Greueltaten der eigenen Truppen wieder vergessen haben. Dieser abartige Terrorismus treibt bisweilen sonderbare Blüten. So wurde diese Woche in einigen Tunneln in England der Empfang für Mobiltelefone abgeschaltet (http://www.20min.ch/news/ausland/story/16844648). Dadurch will man weitere Bomben mit Fernzündern, die über ein entsprechendes Handy aktiviert werden, verhindern. Ob nun GSM oder ein autonomes analoges Funksystem zum Einsatz kommt, das interessiert die heiligen Krieger aber wohl eher weniger. Diese ganze Pseudo-Schutzmassnahme ist eine Farce, die nur den Terroristen nützt. Denn was ist das Ziel des Terrors gegen westliche Länder? Lediglich das Zerschlagen der durch diese vertretenen Werte und aufgebauten Systeme. Eine Verwerfung und Abschaltung dieser führt unweigerlich zum Sieg des Terrors. So lange sich die Menschen sichererer fühlen, wenn Handy-Systeme abgeschaltet werden, wird wenigstens etwas gegen den Terror unternommen. Oder das glauben wir zumindestes. Und ehrlichgesagt sind mit solche Methoden auch lieber, weder wenn Clusterbomben des Typs Mark 20 auf Menschen niederregnen. Auch wenn man über die Effektivität dieser gerne streiten kann. Im Krieg um Informationen wird der Umgang mit diesen zwangsweise scharf überwacht und eingegrenzt werden. Der Verlust der Privatsphäre eines jeden Bürgers ist eine Folge (http://www.cnn.com/2005/WORLD/europe/07/10/britain.oakley/index.html), die die meisten im Kampf gegen Bomben in Anspruch nehmen wollen. Kurzfristig mag dies sinnvoll erscheinen, jedoch können oftmals umgesetzte Gesetze nach Abschluss eines solchen Krieges nicht wieder rückgängig gemacht werden. Wir bleiben sodann in einem Überwachungsstaat voller Misstrauen gefangen, den wir so eigentlich nie haben wollten. Der dritte Weltkrieg hat jüngst begonnen und wie bei jeder militärischen Auseinandersetzung wird es keine Gewinner geben. Na ja, vielleicht die Politik, Industrie und Wirtschaft wird ihre Vorteile für sich ausschlachten können. Der Mensch ansich - und um diesen sollte es in jeder Gesellschaft gehen - verliert aber das, was ihn ausmacht: Die Menschlichkeit (http://www.caritas.ch). Im Krieg kann man den Feind sehen, ihn hören, ihn spüren. Aber man kann den Feind nie besiegen, da es der Krieg selbst ist.