Meine (virtuelle) Midlife-Crisis Marc Ruef | 30.05.2011 Ich war schon immer der Meinung, dass sich mein Leben sehr rasant entwickelt. Meine ständige Müdigkeit kommt ja auch nicht von Nichts. Und gerade seit dem Erscheinen meines letzten Buchs (http://www.computec.ch/mruef/?s=dkdpt) hat sich so ziemlich vieles in rasanter Weise bewegt. Vor allem in meinem Privatleben und in Bezug auf meine Lebenseinstellung meine ich zur Zeit in einer dedizierten Phase zu sein. Nämlich irgendwie in einer Midlife-Crisis. Ich bin mittlerweile 30 Jahre alt. Habe so manches erlebt und auch erreicht. Aber höchstens halb so viel, wie ich hätte erreichen wollen. Als ich ein Kind war, behauptete ich immer, dass ich mit 18 Jahren entweder reich, ein Genie oder glücklich sein möchte (und dass eine Kombination dieser drei Dinge nicht möglich sei). Als es dann soweit war und ich an meinem achtzehnten Geburtstag merkte, dass ich keines der drei Dinge erlebt habe, blieb ich den ganzen Tag im Bett. Wortwörtlich. Dies schien meine erste Midlife-Crisis zu sein. Und jetzt umgibt mich ein ähnliches Gefühl. Doch leider nicht nur an einem einzigen Tag. Sondern eher ständig. Ich bin ein bisschen müde geworden. Früher wollte ich etwas erreichen, die Welt verändern. Heute frage ich mich wozu und für wen. Mein grosses und eigentlich nicht ganz ernst gemeintes Ziel war ein Nobelpreis. Heute glaube ich nicht mehr daran. Gar nicht. Dies macht mich natürlich ein bisschen ruhiger, ich bin nicht mehr so ungestüm und um Erfolge bemüht. Viel mehr sitze ich lieber da und schau den anderen zu, wie sie sich ihre Erfolge erarbeiten. Eigentlich bin ich ganz zufrieden damit. Doch dann beschleicht mich doch zwischendurch das schlechte Gewissen, dass ich mit meiner Zeit vielleicht ein bisschen zu "verschwenderisch" umgehe. Eine Sache, die ich stets und mit voller Aufmerksamkeit verhindert habe. Ich will ja nicht auf dem Sterbebett liegen und das Gefühl haben, ich hätte mein Leben verwirkt. Doch was ist Zeitverschwendung überhaupt? Ich lese gegenwärtig ein Vielfaches dessen, was ich früher gelesen habe. Haufenweise Blogs und Fachartikel sowie ein regelmässiges Durchgehen des aktuellen Twitterverse führen dazu, dass ich mich so wohlinformiert fühle wie noch nie. Und eigentlich ist auch mein "Output" nicht mal so schlecht. Zwar schreibe ich auf computec.ch nur noch alle zwei Wochen einen neuen Blog-Beitrag. Dafür erscheint wöchentlich ein technischer Post in den scip Labs (http://www.scip.ch/?labs). Und dies schon seit nun rund zwei Jahren auf einem Niveau, für das ich mich wohl kaum zu schämen brauche. Zudem hatte ich dieses Jahr so viele Medienauftritte (http://www.computec.ch/mruef/?s=publikationen&f=Interview) wie noch nie und auch die Anzahl meiner Vorträge stellt heuer einen neuen Rekord auf. Und dann poste ich auch noch relativ viel selbst auf Twitter (http://twitter.com/mruef). Und dann muss ich doch daran denken, dass ich die letzten Jahre nur sehr wenige gedruckte Artikel veröffentlicht habe (Ich halte Printmedien in radikaler Weise nicht mehr für zeitgemäss!). Und auch seit 2007 liegen halbfertige Manuskripte für zwei neue Bücher herum. Könnte ich mich doch nur mal überwinden, dann würde ich wohl innerhalb von 2-3 Monaten ein druckfertiges Manuskript hinkriegen. Doch ich habe momentan einfach keine Lust. Ich spiele lieber Tennis (auch Turniere), lese Comics (z.B. The Avengers, Batman, Hellboy) und gehe zwischendurch was trinken (habe aber aufgehört Bier zu trinken). Mir gehts eigentlich sehr gut (abgesehen von einer Sportverletzung in meinen Knien). Und wer weiss: Vielleicht kommt plötzlich wieder eine Phase, in der ich an Ideen und Energie nur so überborde. Bis dann muss ich mich halt darin üben, auch das Konsumieren zu einer perfektionierenden Tugend zu erheben.