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Von Hackern und Ethik

Wenn man sich mit dem Phänomen des ,,Hacken`` beschäftigt, dann muß man sich auch mit der Fragestellung beschäftigen, warum Menschen in andererleut Computersysteme einzudringen versuchen und wie wir persönlich uns dazu stellen, ausgehend von unseren ethischen und moralischen Grundeinstellungen. Da das ,,Hacken`` sehr kontrovers diskutiert wird, lohnt es sich, die Begründungen zu studieren, mit denen Hacker ihr Tun rechtfertigen. Es scheint jedoch keine einfache Antwort auf die Frage zu geben, ob das Eindringen in Computersysteme gut oder böse ist.

Wenn also beurteilt werden soll, ob etwas gut oder böse ist, also ethisch und moralisch vertretbar ist oder nicht, muß man sich auf einen Standpunkt stellen, der einen Tatbestand beurteilt. Ist eine Tat an sich verwerflich oder ist das Ergebnis verwerflich, wenn das Ergebnis in allen Konsequenzen negativ ist, und ist dann die Tat nebensächlich? Man muß sich also fragen, was beurteilt werden soll: Die Tat, die Motivationen oder nur die Konsequenzen?

Ein Beispielgifzu dieser schwierigen Frage:

Stellen wir uns vor, einhundert zufällig ausgewählte Raucher würden von der Regierung öffentlich im Fernsehen hingerichtet. Das Resultat könnte sein, daß Millionen Raucher sofort aufhören würden zu rauchen, was ihre Lebenspanne im Schnitt erhöht. Es würde ebenfalls Millionen von Leuten davon abhalten, überhaupt jemals mit dem Rauchen anzufangen, ebenfalls würden Millionen Menschen vor dem Passivrauchen geschützt; die allgemeine Gesundheit würde sich also spürbar verbessern. Ebenso würde die Umwelt geschont, da keine Zigaretten-Kippen mehr in der Natur landen würden und kein Regenwald für Tabak-Plantagen abgeholzt werden müßte. Also alles in allem, wäre doch eine solche Entwicklung wünschenwert, oder?
Wahrscheinlich würden fast alle Menschen eine solche Tat als unmoralisch ablehnen. Man darf keine Menschenleben zerstören. Egal, was die Rechtsprechung dazu sagen würde, würden wir diese Handlung als nicht richtig (gut, moralisch) bewerten.

Was können wir aus diesem Beispiel also lernen?

  1. Ein ethisches Regelsystem, welches ausschließlich die Tat aufgrund der Resultate beurteilt, ist problematisch, weil alle oben aufgezählten Konsequenzen mit einem ,,könnte`` versehen sind. Es könnte das passieren, aber auch etwas völlig unvorhergesehenes (z.B. die Regierung wird wegen Brutalität gestürzt).
  2. Ein solches Regelsystem widerspricht unserem ,,natürlichem`` Verständnis von Gut und Böse (wir haben ein schlechtes Gefühl bei diesem Beispiel).
  3. Wir urteilen nicht auf dieser Basis.
  4. Wir müssen also mehr die Tat betrachten als die Resultate.
Zurück zum ,,Hacken``. Was soll also beurteilt werden: die Tat an sich oder die Resultate? Muß man Hacker bestrafen, wenn sie beim ,,hacken`` gefasst wurden, oder nur dann, wenn sie Schaden angerichtet haben und sie andernfalls straffrei ziehen lassen, mit der Begründung: ,,Ist ja nichts passiert``?

Dies ist die Fragestellung, an der sich die Geister scheiden. Man kann sich natürlich Fälle vorstellen, in denen es richtig ist, in ein Computersystem einzudringen, um Schlimmeres zu verhindern, oder Leben zu retten. Wenn es nun existentiell notwendig ist, in ein Computersystem einzudringen, weil z.B. der autorisierte Benutzer nicht erreichbar ist und dies Leben retten könnte, dann kann man dies durchaus rechtfertigen (z.B. als Notfall); ein solcher Fall ist allerdings (meines Wissens) noch nicht vorgekommen.

Wir müssen uns also überlegen, wie wir solche Fälle von ,,normalem`` Computermißbrauch beurteilen. Dazu lohnt es sich, zwei Hauptthemen zu verfolgen:





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Guido Rößling

Tue Nov 21 16:05:48 MET 1995