Intelligente Frauen und dumme Genies Marc Ruef | 05.09.2005 Über Jahre hinweg habe ich mich geweigert, mich mit den Tagesmedien auseinanderzusetzen. Propaganda habe ich geschrien, wenn ich schon nur in die Nähe einer Zeitung gekommen bin. Vermeintlich kritische Journalisten, die sich nicht an den Kodex ihrer Berufsgattung halten, sind keine Seltenheit. Die propagandistischen Massenmedien sind voll von solchen Zeitgenossen. Und weltweit unterstützte Reporter wie Becky Anderson von CNN (http://edition.cnn.com/CNN/anchors_reporters/anderson.becky.html), die in ihrem fanatischen Nationalismus sämtliche Kritiker eines Irak-Kriegs als dumm und unamerikanisch bezeichnen, stützen meinen Kritizismus in jeglicher Hinsicht. Ich muss aber gestehen, dass ich nun doch seit einigen Jahren tagtäglich verschiedene Zeitungen lese. Normalerweise werfe ich früh morgens einen ersten Blick in die schweizer Pendlerzeitung 20 Minuten (http://www.20min.ch), um später im Büro die interessantesten Neuigkeiten der Neuen Zürcher Zeitung (http://www.nzz.ch) und der New York Times (http://www.nytimes.com) intensiver unter die Lupe zu nehmen. Brauche ich während der Arbeit mal eine Pause von den Zahlenkolonnen und Codezeilen, die ich herumzufugen habe, werfe ich meistens einen kurzen Blick auf Blätter der Regenbogenpresse, wie dem Blick (http://www.blick.ch) oder der Bild-Zeitung (http://www.bild.de). Seichte Unterhaltung dieser Art ist meines Erachtens keine schlechte Sache, wenn sie wie jede Informationsverarbeitung kritisch umgesetzt wird. Ich betrachte sinnfreie Meldungen und entstellende Märchenberichte wie "Bier schützt vor Strahlenschäden" als Erheiterung und als Abwechslung zu meinem regelmässigen b0g-Konsum (http://www.b0g.org). In einem Artikel der schweizer Blick-Zeitung mit dem Titel "Warum sind Genies meistens Männer?" wird eine Studie von Paul Irwing und Richard Lynn (http://www.mbs.ac.uk/research/AcademicDirectory.aspx?id=2487&action=ShowProfile) erwähnt, die unter anderem statistisch zu beweisen in der Lage ist, "dass der IQ von Männern im Alter über 14 Jahren durchschnittlich fünf Punkte höher ist als bei Frauen." Grundsätzlich ist die extreme Verteiltung der IQ-Punkte bei Männern und die ausgeglichenere Verteilung bei den Frauen keine neue Erkenntnis. Die Arbeit der beiden Psychologen aus Manchester zeigt hingegen auf, dass statistisch das männliche Geschlecht mit einem Mehr an IQ-Punkten ausgestattet daherkommt (Über den Sinn und Unsinn von IQ-Tests will ich hier gar nicht erst weiter eingehen). Weiter wird in der Online-Fassung des besagten Blick-Artikels (http://www.blick.ch/news/wissenschaftundtechnik/artikel24713) darauf verwiesen, dass Nobelpreisträger fast alles Männer waren. Und spezifischer: "Die 21 Nobelpreisträger der ETH Zürich waren alles Männer." Dies erstaunt nicht, denn sind zwei Gegebenheiten dafür verantwortlich, die das sowohl erklären als auch uns bzw. die Generationen vor uns beschämen sollten. Zum einen wurde bis vor wenigen Jahrzenten Frauen oftmals der Gang zur höheren Schulausbildung verwehrt. Die Damenwelt hatte sodann gar keine Möglichkeiten, sich akademisch weiterzubilden und entsprechende Erfolge in ihrem Metier anstreben zu können. Schön ist es deshalb zu hören, dass immer mehr Frauen eine höhere Schulbildung anstreben. Desweiteren hat sich in akademischen Kreisen seit hunderten von Jahren ein genereller Patriarchismus eingebürgert, der mitunter in der Kritik an Einsteins Relativitätstheorie, deren grosse Teile einer mathematischen Ausarbeitung angeblich von seiner ersten Ehefrau Mileva Maric (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18196/1.html) getätigt wurde, niederschlägt. Die Ungarin wird in Einsteins Arbeiten jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. Es war halt damals grundsätzlich verpönt, dass sich eine intellektuelle Frau auf die Ebene der elitären Männer stellen wollte. Das andere Problem ist die teilweise inkompetente Zusammensetzung entsprechender Gremien, die sich für die Verteilung von Preisen zuständig sehen. Bestes Beispiel ist das Nobel-Komitée (eigentlich primär der schwedische Mediziner Allvar Gullstrand), das über Jahre hinweg (1908 bis 1920) den Vorschlag der Vergabe des Nobelpreises an Albert Einstein verwehrte. Wie ernst kann ich eine Gruppe von vermeintlich gescheiten Leuten nehmen, die Intelligenz nicht annehmen wollen bzw. können? Dass Einstein den Nobelpreis noch nicht mal für seine revolutionäre spezielle Relativitätstheorie, sondern für die Entdeckung des Photoelektrischen Effekts erhalten hat, bleibt als ein weiteres Fragezeichen der allgemeinen Kritik über diesem Entscheid schweben. Würde mir die Ehre zuteil werden den Nobelpreis (oder eine andere Auszeichnung) in Empfang nehmen zu dürfen, täte ich es wohl dem französischen Existenzialisten und Autoren Jean-Paul Sartre gleich: Er schlug diesen mit der Begründung des Wunsches nach Unabhängigkeit aus. Bei mir wäre es eher das offene Trotzen gegenüber einer pseudo-elitären Gesellschaft. Eine Vielzahl an guten Entwicklungen - vorwiegend im Bereich der Literatur - wurden nie für einen Nobelpreis vorgeschlagen. Dass auch in derlei Kreisen Korruption und Vetternwirtschaft gegenwärtig sein wird, würde nur ein Narr bestreiten. Populismus heisst das Schlagwort und mich würde es nicht verwundern, wenn Frau J. K. Rowling (http://www.jkrowling.com) den Nobelpreis erhalten würde und Stanislaw Lems Werke in der Hinsicht für Ewigkeiten ungefeiert bleiben. Und wieso hat eigentlich Max Frisch keinen Nobelpreis für Literatur oder Pulitzerpreis bekommen (wenigstens für "Homo Faber")? Alfred Nobel und seine Stiftung des Nobelpreises sind eine schöne Sache, täte nicht auch sie an der Menschlichkeit der Umsetzung kränkeln. Aber dies tun sämtliche von Menschen errichteter Systeme - Bestes Beispiel sind politische und soziologische Ideologien, die allesamt wegen dem Menschen versagen. Die grösste Schwierigkeit des Lebens besteht schlussendlich doch in der Menschlichkeit, die es wenigstens in dieser Hinsicht zu überwinden gilt.