Meine Probleme sind doch lächerlich Marc Ruef | 16.09.2005 Ich frage mich manchmal wirklich, was ich hier eigentlich tue. Nein, dies ist nun nicht die pessimistische Einleitung des Beitrags eines orientierungslosen Mit-Zwanzigers. Ein Grossteil meines Lebens dreht sich um Computer und um die Sicherheit solcher. Ich bin damit zufrieden, denn diesen Themen brachte ich schon immer ein Mehr an kritischem Interesse und aufrichtiger Leidenschaft entgegen. Betrachte ich jedoch menschliche Katastrophen, wie sie beispielsweise die letzten Wochen in den USA (http://www.nzz.ch/dossiers/katarina_katastrophe/) gegeben waren, frage ich mich wirklich, ob meine Tätigkeiten von solch grosser Wichtigkeit sind. Menschen haben Hunger, kämpfen um ihr Leben und ich beschäftige mich mit virtuellen Problemen wie inkompatible IPsec-Implementierungen und sonderbare Scanning-Aktivitäten laut Firewall-Logs. Stolpere ich während einer Recherche unweigerlich über eine Schreckensmeldung der Nachrichtenagenturen, fühle ich mich schon fast arrogant und verwöhnt, wenn ich mich über abstürzende Applikationen oder ineffiziente Algorithmen aufrege. In einem Interview eines Mathematikers las ich, dass "viele Denker sich vorzugsweise mit hypotetischen Fragestellungen auseinandersetzen, um sich nicht den reellen Problemen des Lebens stellen zu müssen." Muss ich mich auch dazu zählen, zu diesen scheuen Flüchtlingen? Und doch: Ich bin der Meinung, dass mein Schaffen wichtig ist. Nicht nur aus technischer, wissenschaftlicher Sicht. Nein, gar ganz bin ich der Überzeugung, dass ich menschliche, humanistische Ziele verfolge. Klar, fiktive TCP/IP-Pakete machen einen Grossteil meiner Arbeiten aus - Aber irgendwo will ich stets den Menschen im Auge behalten. So sind mir soziale Entwicklungen wie die Einführung eines biometrischen Passes (http://www.computec.ch/comment.php?comment.news.43) in den letzten Jahren enorm wichtig geworden. Es geht mir nicht mehr nur darum die neuesten technologischen Erungenschaften zu verstehen - Es geht darum, die Lebensqualität aller Menschen mit dem technischen Fortschritt verbessern zu können. Dies meine ich - hoffentlich nicht als unbewusstes Opfer einer kognitiven Dissonanz (http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz) - sowohl als Schaffender als auch als Kritiker zu tun. Die letzten Monate habe ich enorm viel Zeit in die Überarbeitung, Erweiterung und Verbesserung von computec.ch (http://www.computec.ch/comment.php?comment.news.48) gesteckt. Da "meine kleine Webseite" seit jeher offen für alle ist, erachte ich sie als humanistischen Beitrag der technokratischen Gesellschaft, der ich unweigerlich angehöre. Ich verfolge keine direkten kommerziellen Ziele, werde die Publikationen auf computec.ch auch weiterhin frei zur Verfügung stellen. Dies ist mein Beitrag, damit der moderne Mensch sich in der heutigen Zeit - zugegeben: voller Überfluss - zurechtfindet. Dies alles primär auf technischer Ebene, aber vielleicht "lernt er auch etwas fürs Leben", wenn er sich beispielsweise den offenen Diskussionen im Forum (http://www.computec.ch/forum.php) annimmt. Ich meine nämlich, dass jegliche Interaktion mit Menschen - egal ob mit elektronischen Hilfsmitteln oder nicht - die soziale Kompetenz der Beteiligten steigert. Und darum sollte es im Leben gehen. Ausserdem habe ich in den letzten zehn Jahren eine Vielzahl an netten Menschen über das Medium Internet kennengelernt. Wahrscheinlich mehr weder so manch anderer, der an jedem Wochenende zur lauten Disco pilgert oder den Urlaub am heissen Strand verbringen will. Der Computer ist ein Werkzeug, mit dem neue Dinge erschaffen werden können und mit dem sich Probleme einfacher lösen lassen. Der moderne Mensch neigt aber eher dazu, ihn als Orakel oder Widersacher zu sehen: So soll er alleine Probleme lösen oder er selbst ist gar mit seiner Unausgereiftheit das Problem. Ich denke, man tut den Computer unrecht, erwartet man etwas anderes von ihnen, weder das, wozu sie ursprünglich entwickelt wurden: Das Rechnen.