Freiheit als erster Schritt zur Macht Marc Ruef | 01.11.2005 Karl Marx schrieb einmal: "Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann." In der Tat, das gesellschaftliche Zusammensein macht es nicht gerade einfach, seine Freiheiten in Anspruch nehmen zu können, ohne die Freiheit der anderen einzugrenzen - In der Regel hält man diesen Balanceakt, denn so verlangt man von den anderen doch das Gleiche. Freiheit ist aber nicht nur ein Luxus, sondern der erste Schritt zur Macht. Wer frei ist, ist unabhängig. Und Unabhängigkeit hält einem sämtliche Möglichkeiten offen, wie die eigenen Entscheidungen gefällt werden können. Und die hektische Zeit, in der wir leben, erfordert mehr dennje die Möglichkeit, sich kurz und ungebunden entscheiden zu können. In meiner Tätigkeit als freier Autor schreibe ich für das eine oder andere Fachmagazin, steuere dort vorwiegend Artikel zum Thema Computersicherheit bei. Es gibt dabei drei Klassen von Zusammenarbeiten, die man dort als Autor anstreben kann: (1) Die schönste Variante ist dann gegeben, wenn man Geld für seine Arbeit erhält. Dies ist sodann quasi eine Auftragsarbeit, bei der der Verlag die Vorgaben definiert und die geleistete Arbeit finanziell honoriert. Abgerechnet wird entweder Pauschal pro Artikel oder nach Anzahl Zeichen. (2) Alternative Möglichkeiten sind in einer freien Arbeit und den Einkauf gegeben. Erstere ist die zweite Wahl und wird vor allem von Autoren genutzt, die frisch in ein Thema einsteigen. Sie hüten sich in ihrer frühen Phase davor, für ihre Arbeit Geld zu verlangen. Damit verleiht man sich quasi selbst den Lehrlingsgrad und erhält dabei ein gewisses Mass an Narrenfreiheit. (3) Manchmal, vor allem wenn sie schreiberisch (noch) nicht viel aufzuweisen haben, greifen sie gar auf die letztere Methode zurück. Bei dieser kaufen Sie quasi Platz für ihren Artikel ein und zahlen dem Magazin einen gewissen Platz, um dort ihr Geschriebenes zu veröffentlichen. Dies ist aber eher meist ein Instrument der kommerziell orientierten Werbung denn der Selbstverwirklichung. Betrachtet man das Literaturverzeichnis aus meiner Feder (http://www.computec.ch/mruef/publikationen/) bemerkt man, dass ich seit 1998 eine Vielzahl an Fachpublikationen veröffentlicht habe. Ohne Scham gebe ich offen zu, dass ich für die wenigsten davon Geld erhalten habe. Die meisten davon habe ich in Eigenregie organisiert und zu einem kleinen Schutzpreis an die Verlage abgetreten. Meine Mutter sagt immer: "Wieso machst Du das? Wieso lässt Du Dich über den Tisch ziehen?" Es scheint aber nur so zu sein, dass sie aus einer anderen Generation stammt, der meine Strategie nicht entspricht. Diese, obschon in ihren Grundzügen unspektakulär, will ich hier gerne festhalten. Wie überall in der kapitalistischen Umgebung wünschten es sich die Verlage Autoren zu haben, die ohne Bezahlung arbeiten. Kosteneinsparung findet sodann direkt an einer der Quellen statt. Verzichtet ein Autor auf eine Bezahlung, erkauft er sich mit diesem Verzicht seine Freiheit. Er steigert so indirekt seinen Wert, denn welcher Verlag will auf einen "Mitarbeiter" verzichten, der gratis arbeitet? Diese Freiheit ist eine wichtige Waffe, geht es um die Auslebung der literarischen Bestrebungen des Autors. Da er nun am intellektuell und wirtschaftlich längeren Hebel sitzt, kann er die Vorgaben für einen Artikel machen. Es erstaunt manchmal schon fast ein bisschen, wenn die Verlage dann plötzlich anstatt 10'000 Zeichen mehr als das doppelte einräumen. Platz ist natürlich etwas, das sich jeder Schriftsteller wünscht. Der aufmerksame Leser fragt sich nun vielleicht, wieso nun ein Autor ohne Bezahlung arbeiten soll. Was bringt ihm dies? Vorerst gar nichts - Schlussendlich aber alles. Und zwar sieht er sich so in der Lage, seine Leserschaft und zukünftige Auftraggeber von seinen Leistungen zu überzeugen. Wer sich mit der oben genannten Methode bei den grossen Fachzeitschriften einen Platz ergattern konnte, für den wird es ein Leichtes sein, zukünftige Aufträge an Land zu ziehen. Man könnte die freie Arbeit quasi als längerfristige Investition in die eigene Reputation betrachten. Dies war stets eine meiner Intentionen, die zu meiner Entfaltung in den hunderten von Artikeln aus meiner Feder geführt hat. Mein Zeil war stets, niemals ein Bewerbungsschreiben verfassen und etwelche Zertifikate einem potentiellen Arbeitgeber einschicken zu müssen. Mir liegt viel daran, dass in diesem Belang die Firmen auf mich zukommen. Klar, da schwingt sicher auch ein bisschen Narzissmus oder wenigstens Extrovertiertheit mit. Betrachtet man dies weniger pathologisch sondern wirtschaftlich, ist jene Herangehensweise aber nur ein anderes Modell, das berechtigterweise seinen Platz in der modernen Marktwirtschaft gefunden hat. Oder meinen Sie, dass Linus Torvalds oder Bill Gates jemals wieder irgendwo einen Lebenslauf abgeben müssen?