Lord of Cyberwar Marc Ruef | 15.03.2006 Zugegeben, Filme, bei denen Nicolas Cage (http://www.imdb.com/name/nm0000115/) eine der Hauptrollen übernimmt, verlangen dem Zuschauer eher selten intellektuelle Höhenflüge ab. Doch der Streifen Lord of War (2005) (http://www.imdb.com/title/tt0399295/) hat mich in der Hinsicht wirklich positiv überrascht. Ein sozialkritischer Film, der ein Höchstmass an politischer und kultureller Brisanz aufweist und diese gekonnt - halt in typischer Hollywood-Manier - inszeniert. Im Film schlüpft Cage in die Rolle eines ukrainischen Einwanderes, der ein tristes Leben in den Vereinigten Staaten führt. Sodann entschliesst er sich, ein kleines Stück vom Kuchen der unbegrenzten Möglichkeiten abzubekommen, indem er mit dem Handeln von Waffen beginnt. Zunehmends wird er zu einem grossen Fisch im internationalen Business, bedient Diktatoren und Freiheitskämpfer aller Couleur mit AK-47 (http://kalashnikov.guns.ru/) und Granaten. Als sein Doppelleben von seiner Frau durchschaut und von seinem Bruder angezweifelt wird, beginnt auch er die Zwistigkeit seines Schaffens in Frage zu stellen. Denn schliesslich töten jene Waffen, mit denen er seinen luxuriösen Lebensstil finanziert. In der Tat vermag der Film die Kritik am "Verticken" von Waffen wirtschaftlich zu entwerten. Waffen töten eigentlich nicht, denn der Mensch ist derjenige, der den Abzug zieht. Waffen sind ein Werkzeug, dessen Nutzen sich einzig und allein an ihrem Einsatzgebiet orientiert. Denn schliesslich können sie auch zur Verteidigung eingesetzt werden. Zugleich wird aber auch ethisch an eben jenen zwielichtigen Bestrebungen gerüttelt. Ohne Waffen wären viele der Greueltaten heutiger Zeit nicht oder nur bedingt mehr möglich. Die Abschlachtung anderer Nationen, Völker, Stämme oder anderweitiger Gruppierungen wäre durch hocheffiziente Mordinstrumente wahrlich schwieriger in die Tat umzusetzen. Eines der wiederholten Argumente von Yuri Orlov (Charakter von Nicolas Cage) ist, dass so oder so irgendjemand seinen Platz einnehmen würde. Ganz gleich, ob er nun jetzt oder in ferner Zukunft von seinen Deals ablassen würde. Würde man zudem Waffen als Mordinstrumente verdammen, müsste dies auch mit Zigaretten geschehen. Alkohol, Messer, Autos, Medikamente, all dies sind Dinge, die ebenso töten oder zum Töten eingesetzt werden können. Ein ähnliches Problem, glücklicherweise nicht von der gleichen Tragweite, ist im Bereich der Computersicherheit immerwieder Gegenstand heftiger Diskussionen. Der Austausch brisanter Informationen, wie Computersysteme übernommen oder zum Absturz gebracht werden können, können in einer Informationsgesellschaft ebenfalls als "Waffe" klassifiziert werden. Denn dieses Wissen hat schon so manchem wirtschaftliche Vorteile oder Schaden gebracht. In den schlimmsten Szenarios des Cyberwars wäre es auch denkbar, dass durch Angriffe auf Computersysteme Menschenleben in Gefahr gebracht werden können (z.B. Angriffe auf Krankenhäuser, Stromversorgungen, militärische Einrichtungen). Ich muss gestehen, dass mir das gänzliche Verbieten von Schusswaffen nicht behagt. Würde man beispielsweise lediglich der Exekutive eines Staates das Recht auf eine Schusswaffe gewähren, könnte im Fall der Umschlagung diplomatischer Werte (Diktatur) das Volk plötzlich ohne die Möglichkeit auf Widerstand dastehen. Das Argument, dass Waffen verteidigen können, bleibt also bestehen. Denn schliesslich argumentieren auch wir fortwährend, dass der Austausch sicherheitskritischer Informationen wichtig bleibt, damit auch "die guten Jungs" eine Chance haben. Die Hauptwaffe im Cyberwar ist Information und das Zurückbehalten von Informationen war - jedenfalls auf längere Zeit - noch nie im Sinn der Gesellschaft. Es ist wohl wichtig in diesem philosophischen Konflikt Grenzen zu ziehen. So haben Waffen zu Verteidigungszwecken durchaus ihre Daseinsberechtigung, das hat selbst der friedliebende Platon in "Politeia" angemerkt (Ein jedes Volk braucht eine Armee, um sich verteidigen zu können). Doch es gibt Waffen, die ganz offensichtlich nur zum pauschalen Morden entwickelt wurden. "Massenvernichtungswaffen", bei deren Gebrauch Kollateralschäden gerne in Kauf genommen werden. Derlei Waffen gilt es zu verhindern. Doch moment, was ist, wenn nun alle "guten Staaten" auf Massenvernichtungswaffen verzichten und ein "Schurkenstaat" diese plötzlich produziert? Ein Wettrüsten ist eine der Optionen, um dem Gegner mit Vergeltung drohen und durch diese Abwehraggression von wüsten Handlungen abhalten zu können. Nikita Chruschtschow und John F. Kennedy könnten ein Lied davon singen. Die Computerindustrie rüstet sich auch zunehmends. Massenvernichtungswaffen im Bereich der Computersicherheit könnten mit umfangreichen Exploiting-Frameworks oder Wurm-/Bot-Netzen verglichen werden. Auch bei diesen geht es hauptsächlich darum, so schnell wie möglich so viele Rechte wie möglich einholen zu können - Schäden an unbeteiligten sind dabei für Cracker eher irrelevant. Wobei ich den Verbot von Wurm-Software noch ansatzweise verstehen kann, sehe ich die Einschränkungen der Möglichkeiten bei Exploiting-Frameworks auch als Nachteil für Entwickler sowie Administratoren. Diese können die "Waffe" Exploiting-Framework nämlich auch in gutem Sinne brauchen, um ihre Entwicklungen auf Fehler hin überprüfen und damit diese effektiver ausmerzen zu können. In Bezug auf Waffen wird gerne auf die Möglichkeit kontrollierter Abgaben verwiesen. Damit lässt sich eine Filterung umsetzen, um nicht gleich jedermann mit tödlichen Werkzeugen bestücken zu lassen. Grundsätzlich wäre dies auch eine theoretische Option im Bereich der Computersicherheit: Die Herausgabe von Angriffs-Tools vorwiegend an Administratoren, die damit nur Gutes machen wollen. Doch leider funktioniert in der digitalen Welt vieles anders. Denn hier sind es halt eben auch die dunklen Mächte, die mit viel Elan und Erfindergeist ihre "Waffen" selber zusammenbauen. Das Limitieren der Weitergabe brisanter Informationen würde wiederum nur jede treffen, die sich an die Regeln halten. Benachteiligt wären also nur die guten Administratoren. Spricht das nun aber auch für die allgemeine Ausgabe von Waffen?