Der kleine Buchladen Marc Ruef | 27.03.2006 Als ich noch jünger war, trieb ich mich immer in Büchläden und Bibliotheken rum. Irgendwie mochte ich es, von so viel Holz und mit ihm für die Zukunft festgehaltenes Wissen umgeben zu sein. Nach der Schule sitzte ich dann meist noch stundenlang mit irgendeinem Buch in einem bequemen Sessel und freute mich darüber, dass ich ohne grossen Aufwand Dinge erfahren konnte, für die man vor 100 Jahren noch grosse Gefahren auf sich nehmen hätte müssen. Und wenn ich mich mit jemandem in der Stadt verabredet hatte, trafen wir uns ebenfalls meist bei der Leihbücherei. Dort wars stets warm und ruhig. Und da ich chronisch stets 30 Minuten zu früh war, konnte ich meine Zeit wenigstens nutzen, um in irgendeinem Fachbuch über Quantenphysik oder Verhaltenspsychologie zu stöbern. Heute kann ich über 2'500 Bücher mein Eigen nennen. Diese habe ich, wie es sich in einer Bücherei gehört, nach Themengebieten und danach nach Autoren sortiert. Da ich dank diesen unzähligen Blättern und meinem Internet-PC mich zu Hause innert Sekunden über ein Thema informieren kann, gehe ich nur noch selten in Buchhandlungen oder die lokale Bibliothek. Zu Hause ists halt noch gemütlicher und - wenn man alleine ist - noch ruhiger. Was will man mehr? Als ich vor einigen Wochen mit meiner Freundin in der Stadt bummeln ging, machten wir vor einem der alteingesessenen Buchläden halt. Ich sagte, dass ich da doch kurz reinschnuppern möchte. Primär deswegen, weil ich es leid war, ständig durch die Abteilungen mit Damenbekleidung schlendern zu müssen (Wieso wollen Frauen eigentlich immer mindestens 7 Paar Schuhe besitzen?). Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass der Laden seit meinem letzten Besuch vor etwa 2 Jahren komplett umgestellt wurde. Obschon ich eigentlich den Bereich der Naturwissenschaften aufsuchen wollte, stand ich plötzlich vor einem Regal mit Reiseberichten. Okay, das hat zwar irgendwie auch was mit Natur zu tun, aber nicht ganz mit dem, was ich eigentlich suchte. Resigniert stellte ich meine Suche ein als ich bemerkte, dass die Naturwissenschaften mit nur etwa 20 Büchern vertreten waren. Populistische Werke waren ausgestellt und die Durchsicht dieser eher deprimierend denn unterhaltsam. Was war bloss aus dem schönen Fachbereich geworden, wo sich grosse Mathematiker, neugierige Philosophen und verrückte Physiker die Klinke in die Hand gegeben haben? Auch der Informatikik-Bereich war komplett verschwunden - Ich war entsetzt! In der Tat ist es so, dass wohl die meisten Informatiker unlängst auf das Internet ausgewichen sind, um ihren neuen Lesestoff zu beziehen. Trotzdem hat der besagte Laden für mich an diesem Tag seinen Zauber verloren. Und ich muss sagen, dass wenn ich nochmals 16 Jahre alt wäre, ich mich wohl kaum freiwillig in ihm aufhalten würde. Vielleicht, wenn er schon damals in gewissen Bereichen so karg bestückt gewesen wäre, hätte ich mich gar nie für das Lesen begeistern können. Was wäre dann wohl aus mir geworden?