Die Vieldeutigkeit von Oblivion Marc Ruef | 30.03.2006 Meines Erachten ist Perfektionismus eine sehr schöne Sache. Dies natürlich nur solange, wie man sich nicht selbst durch einen solchen behindert (z.B. das ewige Herausschieben von Releases). Durch das raffinierte und akribische Ausarbeiten lassen sich aber wunderschöne Dinge erschaffen, die in ihrer Eleganz und Vollkommenheit nur schwer übertrefflich scheinen. Ein Meister dieser Kunst ist Donald E. Knuth, der vor allem mit seiner Schriftreihe The Art of Computer Programming (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0201485419/) sowohl bei Programmierern als auch für Fachbuchautoren neue Massstäbe (http://www.computec.ch/news.php?item.68) gesetzt hat. Doch Perfektionismus ist nicht jedermanns Sache. Und wie es scheint ist es scheinbar noch nicht einmal das saubere Arbeiten ansich, was heute als Tugend gilt. Wer die Entwicklungen von Spielekonsolen der letzten Dekade ein bisschen beobachtet hat weiss wohl, wovon ich spreche. In den Zeiten von Super Mario auf dem NES bis Ridge Racer auf der Playstation wurden buchstäblich "fertige" Spiele herausgegeben. Die Entwickler haben sich darum bemüht, dass wenn möglich alle Fehler behoben sind und der Spieler in den Genuss eines schönen Erlebnisses kommt. Seit der Einführung standardmässig genutzter Massenspeichermedien mit der Xbox hat sich dies spürbar verändert. Durch das Angebot von Xbox Live konnten Inhalte zum Download angeboten werden. Eine Vielzahl der Entwickler machten davon Gebrauch und lieferten neben eigentlichem Content auch Patches für Probleme an. Wirklich schlimme Fehler konnten so auch noch adressiert werden, lange nach dem die offizielle Fertigstellung und des Pressung des Spiels durchlaufen war. Diese neue Möglichkeit, die ursprünglich als beste Neuerung für den hungrigen Spieler angepriesen wurde, wurde aber primär durch die Entwicklerschmieden zu ihrem persönlichen Vorteil ausgenutzt. Ein Spiel musste nun nicht mehr bei Fertigstellung fehlerfrei sein, denn Probleme liessen sich ja - falls sie denn wirklich stören sollten - auch noch nachträglich mittels Download adressieren. Die Entwickler können nun neu auf besondere Effizienz hin arbeiten und Deadlines anstreben, bei denen keine Pufferzeit für intensives Beta-Testing und Patching mehr vorgesehen ist. Die Wirtschaftlichkeit einer Spielentwicklung kann so noch besser optimiert werden. Dieser Effekt nahm zunehmends skurrilere Züge an. Jüngstes Beispiel ist das epische Rollenspiel The Elder Scrolls IV: Oblivion (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B000EHQSSC/). Das nicht nur von mir sehnsüchtig erwartete Spiel übertrifft seinen preisgekrönten Vorgänger The Elder Scrolls III: Morrowind (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B0000DH8HF/) in vielerlei Hinsicht. Aber ganz besonders auch in Punkto Fehler. Die deutsche Version strotzt nur so vor lieblosen, falschen und fehlenden (!) Übersetzungen (http://www.gamesagent.net/?site=detailnews&ID=8774). Kaputte Sätze wie "Press the Button B, um die Karte anzuzeigen" oder der falsche Titel "Feuerball" für einen Heilzauber können durchaus die Atmosphäre eines Rollenspiels zerstören. Es ist absehbar, dass Entwickler Bethesda Softworks da mit Patches nachhelfen müssen wird. Die technische Neuerung in der Konsolenwelt, dass downloadbare Inhalte den Spielspass bereichern können, bringt absehbare Nachteile. So wird über kurz oder lang ein ähnlicher Effekt wie in der PC-Welt gegeben sein. Halbfertige Produkte werden auf den Markt geworfen, die Käufer müssen als Beta-Tester herhalten und werden vielleicht bei Gelegenheit - eigentlich hat man ihnen ja schon das Geld aus der Tasche gezogen - mit einem Patch "belohnt". Falls die initialen Spielabsätze das Soll nicht richtig erfüllt haben, kann man gerne nach einer Kosten/Nutzen-Analyse die "unwichtige Community" fallen lassen, um weitere Investitionen zu sparen... Im Beispiel des oben genannten Rollenspiels nimmt der englische Titel Oblivion (http://www.dict.cc/?s=Oblivion) eine ganz besondere Rolle ein. Denn dieser lässt sich ins Deutsche mit "Nichtbeachtung" oder "Straferlass" übersetzen. Ersteres ernten die Spieler durch die geldgierigen Publisher. Letzteres sollte man hingegen den Entwicklern bei derart mieser Arbeit nicht gewähren. Die logische Konsequenz müsste ein Boykott entsprechender Titel sein. Aber solange Zeitschriften die Titel nur kurz anspielen und aufgrund kostenintensiver Werbeverträge vor Kritik zurückscheuen, wird es noch lange Zeit Dunkel sein im Vierten Zeitalter der Konsolengeschichte.