Respekt vor dem Alter Marc Ruef | 16.04.2006 Man ist so alt, wie man sich fühlt. Das mag durchaus sein, wobei meine Gefühlsschwankungen Resultate zwischen 14 und 80 Jahren ausmachen können. Habe ich mal wieder schlecht geschlafen, wache ich als alter Mann auf. Kann mich hingegen jemand für eine Sache begeistern, wird unverzüglich das kleine Kind in mir geweckt. So ist es nicht verwunderlich, dass ich mich gut und gerne an jene Zeit erinnern kann, in der ich als Jugendlicher in bester Sturm und Drang Manier für Ideale kämpfen wollte. Von einem Tag auf den anderen in die Welt der Erwachsenen geworfen, störte ich mich unweigerlich an der archaisch und unisinnig anmutenden Etikette dieser. Wer jung war, der hatte keine Erfahrung und ohne Erfahrung war die eigene Meinung nicht viel wert. Wie es meinem Charakter eigen ist, wollte ich dagegen ankämpfen, alte Werte entwurzeln und neue, offenere Ideologien etablieren. Die Umkehr aller Werte, wie sie dem Nihilismus eigen ist, war von nun an mein Wegbegleiter. Obschon ich mit 25 Jahren wohl kaum zum älteren Eisen und damit zu den erfahrenen Kapazitäten zähle, fühle ich mich trotzdem manchmal in diesem Belang ziemlich alt. So bemerke ich, dass die Nutzer meiner Webseite immer jünger werden, dass Anmeldungen von Anwendern mit Jahrgang 1990 keine Seltenheit mehr sind. Na ja, diese Damen und Herren sind doch mittlerweile auch schon 16 Jahre alt und eben genau am Beginn des gleichen Abschnitts voller neuer Ideen und Kreativität. Ironischerweise bin nun genau ich derjenige, der sich manchmal über die naive Unflätigkeit der neuen Jugend brüskiert. Da meldet sich beispielsweise jemand auf der Webseite an und speichert in seinem Profil den Namen Kevin Mittnick (nicht Kevin Mitnick). So wie ich Kevin einschätze, geht er wohl kaum über einen deutschen TDSL-Zugang ins Netz. Entsprechend habe ich die falsche Angabe, die gegen die Seitenregeln verstösst, gelöscht und den neuen Benutzer mit sachlicher Höflichkeit auf seinen Fauxpas aufmerksam gemacht. Mittlerweile bin ich mit Templates auf solche Situationen vorbereitet. Die Antwort kam prompt: "Glaubst Du mir nun jetzt?" Diese verstand ich als Aufforderung, die neu eingegebenen Daten im Profil zu überprüfen. Festgehalten war da nun "Marc Ruef". Das uralte schweizer Geschlecht Ruef ist relativ selten (2346 Einträge in der Schweiz, Stand 19. März 2006 (http://tel.search.ch/result.html?name=Ruef)) und die Chancen gering, dass sich dieser mit der französischen Form von Markus paart. Einmal mehr und mit merklich gesteigertem Nachdruck wies ich den Benutzer auf sein wiederholtes Nichteinhalten der Seitenregeln hin. Daraufhin erntete ich grosses Unverständnis: Man könne ja hier auf der Webseite gar nichts machen. Und in der Tat, computec.ch ist keine Spielwiese für lustige Wortspiele und unterhaltsame Bildchen. Eine gewisse Ernsthaftigkeit und Seriosität verlange ich von den Benutzern. Schliesslich ist es nicht mehr als Respekt all jenen gegenüber, die sich um eine gewisse Disziplin bemühen. Dies schliesst aber eine gesunde Portion Witz und Ironie nicht aus. Trotzdem, die Richtigstellung dieses einen Profils kostete mich rund 4 Private Messages. Das sind genau 3 Private Messages zuviel. Denn mit der Zeit, die ich für diese aufgewendet habe, hätte ich eines der unzähligen und seit Monaten offenen Emails in meiner Inbox bearbeiten können. Jüngere Semester übersehen oftmals, dass ihre Verspieltheit weder neu noch besonders intelligent wirkt. Und manchmal, so ist es halt, empfinden es andere als störend. Die tausendste Frage zur besten Linux-Distribution oder die erneute Suche nach einem Ultra-Hacker-Tool sind für jeden irgendwann nur noch ermüdend. In solchen Situationen sind sowohl die älteren als auch die jüngeren angehalten, Verständnis für das Gegenüber zu zeigen. Akzeptanz der alteingesessenen und bewährten Regeln ist dabei genauso wichtig, wie das Hinwegsehen über manchmal vielleicht etwas ungeschickt plazierte Spielereien.