Cyberwar als entscheidendes Instrument Marc Ruef | 07.08.2006 iEinleitung: Der folgende Blog-Eintrag weist einen politischen Charakter auf, tangiert er doch aktuelle Entwicklungen im Nahen Osten. Ich distanziere mich dabei in jeglicher Form von der Sympathisierung zu irgendwelcher der involvierten Gruppen. Die Verachtung von Menschenleben, die die Auslöschung eines solchen anstrebt, kann in keinster Weise gutgeheissen werden./i Mossad ist der im Volksmund gebräuchliche Name einer der drei Nachrichtendienste Israels. Der wirkliche Name des Auslandsnachrichtendienstes lautet "Hamossad Lemodi'in Uletafkidim Meyuchadim", was ins Deutsche übersetzt so viel wie "Institut für Aufklärung und besondere Aufgaben" bedeutet. Er ist vergleichbar mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) in Deutschland oder der National Security Agency (NSA) der USA. Der Mossad gilt als einer der besten und effizientesten Geheimdienste der Welt. Nicht zuletzt durch eine Vielzahl an Berichten in der Presse und Büchern wird der verlängerte Arm der Politik von vergleichbaren Institutionen gefürchtet. Laut diversen Offenlegungen ehemaliger Katsas (Agentenführer), belächelt Mossad die Nachrichtendienste anderer Nationen ab ihrer Unzulänglichkeit und dem zugrundeliegenden Dilletantismus (siehe den Bericht (http://www.amazon.com/gp/product/0971759502/) von Victor Ostrovsky zum dänischen Nachrichtendienst, der Anfang 1990 zu einem politischen Eklat zwischen Israel und Dänemark geführt hat). Die Anzahl der aktiven Agenten des Mossads wird auf ungefährt 1'200 geschätzt. Eine relativ geringe Zahl, die sich in einer Gegenüberstellung der Grösse der amerikanischen "Three-Letter-Organisations" (z.B. FBI, CIA, NSA, ...) als lächerlich erweist (BND hat 6'000 und NSA etwa 40'000 Mitarbeiter). Der Grund, warum der Mossad jedoch trotzdem unendlich agil und effizient zu arbeiten scheint - abgesehen von einem weltumspannenden Sayanim-Informantennetz -, ist der immerwährende Kriegszustand, in dem sich Israel gefangen sieht. Die akute Gefahr scheint die Männer und Frauen, der Name deren Chefs wird seit 1990 während seiner Amtszeit nicht mehr öffentlich bekannt gegeben, enorm anzuspornen. Diverse nachrichtendienstliche Unterlagen, die der Weltöffentlichkeit zur Verfügung stehen, verweisen auf besonders ausgeklügelte Methoden des Mossad. Technisch von besonderem Interesse ist die Abteilung Neviot (ehemals Keshet; hebräisch für "Bogen"), die sich um "die Informationssammlung aus toten Objekten" bemüht. Darunter fallen einige Bereiche der Überwachung in der Form von COMINT. So ist in ehemals klassifizierten Berichten nachzulesen, dass die Möglichkeiten der Raumüberwachung schon Ende der 80er Jahre die Vorstellungskraft des heutigen Bürgers der westlichen Welt übersteigt: Durch exakte Nachbildungen von Möbeln und dem Unterbringen einer extrem leistungsstarken Batterie konnten Audioüberwachungen bis zu drei Jahre ohne zusätzliche Eingriffe durchgeführt werden. Eine Leistung, die sich so mancher Laptop-Nutzer selbst im Jahr 2006 nur erträumen kann. Gerade weil dem Mossad eine unglaubliche Durchschlagskraft zugetraut wird, erschienen die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten verwunderlich. Die Entführung der beiden israelischen Soldaten (http://www.nzz.ch/2006/07/13/al/articleEAQ8A.html) wurde, glaubt man den Medienberichten, durch die Hisbolla geplant. Eine Ausschaffung dieser war zwar vorbereitet. Trotzdem hätte es für den Mossad durchaus möglich sein sollen, den Aufenthaltsort der Geiseln und die Hintermänner der Aktion ausmachen zu können. Diese nachrichtentechnische Information hätte die Politik in jener Art beeinflussen können, dass ein militärischer Angriffskrieg als Lösung nicht in Frage kam. Stattdessen hätte Metsada, die Abteilung für spezielle Operationen (z.B. Sabotage und paramilitärische Aktionen), ohne grosses Aufsehen eine Rückführung einleiten versuchen können. Oder die Mächtigen der Region hätte sich in politischer Manier in einem dunklen Zimmer geeinigt. Eine Lösung dieser Art wäre für alle Beteiligten schneller und effizienter zugänglich gewesen. Entweder ist der Kampf um Israel noch viel komplexer oder der Mossad hat versagt. Wahrscheinlich ist beides der Fall. Umso erstaunlicher war am 01. August 2006 in den Medien (http://www.naharnet.com/domino/tn/NewsDesk.nsf/0/236DD3CF2B77BB52C22571BD006DB6EC?OpenDocument) zu lesen, dass ein der Hisbollah nahe stehender Fernsehsender (Al-Manar (http://www.alghaliboun.net/english/)) sowie ein libanesischer Radiosender kurzzeitig durch die Israelis übernommen und eigene Inhalte eingespiesen wurden. Während mehrerer Minuten (ca. 120 Sekunden) wurde in bester Propagandamanier auf das drohende Leid, das den islamistisch-libanesischen Kämpfern droht, hingewiesen. Wahrscheinlich eine Zusammenarbeit der COMPINT-Spezialisten der Abteilungen Metsada (psychologische Kriegsführung) und Lohamah Psichlogit (LAP, Propaganda und Täuschungsmanöver) (siehe als Erweiterung dazu auch den Artikel Cyberwar: The beginning (http://www.zone-h.org/content/view/13932/30/) von Marcelo Dos Santos de Almeida). Im Norden von Israel und im Sueden des Libanons hagelt es Bomben. Das verursachte Leid ist nicht von der Hand zu weisen. Eine unendiche Tragik, die die besagte Region seit Dekaden heimsucht. So mancher Denker postuliert, dass Gewalt nie eine Lösung sei. Und ich wage zu bezweifeln, dass der Vergeltungsangriff unter dem Deckmantel der Verteidigung durch Olmert und Katzaw wirklich die gewünschten Resultate bringen wird. Die gegebenen Operationen - sie dauern nun schon zu lange an, ohne konkrete Resultate liefern zu können - erwiesen sich bisher als nicht erfolgsversprechend. Sie haben gar zu grossen Teilen dem Ansehen Israels enorm geschadet (http://www.nzz.ch/2006/08/06/al/newzzEQJ99RJ9-12.html). Der politische Druck steigt für sämtliche involvierten Parteien gleichermassen. Eine lose-lose Situation! Die Propaganda-Aktion der Medien-Manipulation war hingegen ein taktischer und operativer Geniestreich - Zudem noch ethisch am ehesten vertretbar. Obschon die Früchte dieses Eingriffs nicht unverzüglich geerntet werden können, hatte dieser Zugriff sehr wahrscheinlich eine viel grössere Wirkung weder Merkava-Panzer (hebräisch für "Streitwagen") und Negev-Sperrfeuer (Maschinengewehr der IMI, Israel Military Industries). Der gegenwärtige Konflikt der Form einer asymmetrischen Kriegsführung wird sich jetzt wohl kaum noch durch Waffengewalt lösen lassen. Eine Wiederholung (http://www.zone-h.org/content/view/13936/28/) der Operation Peace for Galilea (http://amichai.com/war/process/lebanonwar.html) des Jahres 1982 scheint absehbar. Politische Kompromisse sind unumgänglich. Und die Beeinträchtigung des Volks durch Propaganda ein wichtiges Instrument, um solche herbeizuführen. Konflikte werden durch Menschen entschieden, und nicht alleine durch Gewehrkugeln.