Ich bin nicht für Linux, ... Marc Ruef | 16.10.2006 ... sondern für Transparenz. Diese erachte ich als eines der grundlegenden und wichtigsten Attribute einer jeden guten Lösung. Transparenz bedeutet, dass man nach Möglichkeiten hinter die Kulissen schauen kann, um ein Verständnis für die Zustände und Abläufe zu erhalten. Dieses Verständnis ist sehr kostbar, hilft es doch eine Aufgabe effizient angehen und bei Fehlern kompetent vorgehen zu können. Ich mag Linux, weil es von der Philosophie her sehr transparent ist. Auch wenn die vielen Hobby-Programmierer oftmals nicht um eine gute Dokumentation bemüht sind, hat man bei einem quelloffenen System durchaus die Möglichkeit, den Quelltext einzusehen. Der Quelltext ist quasi die beste Dokumentation, denn systemnah sind dabei die jeweiligen Vorgänge einsehbar. Bei Microsoft Windows sind zwar oftmals Dokumentationen (Handbücher und Hilfe-Dateien) vorhanden. Doch die Ausrichtung dieser beschränkt sich in der Regel auf den normalen Endanwender mit seinen herkömmlichen Problemen. Ist man mit einem exotischen Fehler konfrontiert und muss diesen auf tiefer Ebene angehen, helfen einem die vielen Hilfe-Dateien von Microsoft auch nicht weiter. Und weil der Quelltext der jeweiligen close-source Programme von Microsoft fehlt, kann man sich auch nicht mal ebenso weiterhelfen. Lediglich ein Reverse Engineering (Dead-Listing mit Disassembler oder halt das Live-Analysieren von API-Kommunikationen) kann hier Abhilfe schaffen. Dies ist aber mit einem erhöhten Aufwand verbunden, den aufzubringen die Situation oftmals nicht rechtfertigt (vor allem nicht aus wirtschaftlicher Sicht). Glücklicherweise bin ich in der Lage eine Software, sofern sie mich denn wirklich interessiert, wenigstens in ihren Grundzügen zu analysieren. Damit konnte ich schon das eine oder andere Produkt, das den hohen Preis mit schmucken Features rechtfertigen wollte, als töricht enttarnen. Die zunehmende Komplexität der Betriebssysteme und Applikationen macht aber auch diese Analyse immer schwieriger. Solange sich die vielen kommerziellen Hersteller nicht damit anfreunden können, dass der Benutzer ein Höchstmass an Transparenz verlangen darf, wird die IT-Branche nur bedingte Fortschritte machen können. Die eigene Inkompetenz der Hersteller wird auch weiterhin in den kompilierten Programmen versteckt bleiben. Die Möglichkeit des Kunden, die fehlende Eleganz einer Lösung - und damit die Fragwürdigkeit des erhöhten Preises - einsehen zu können, wird auch weiterhin in diesen Bereichen fehlen. Ich glaube aber doch, dass der Prozess sich dahingehend entwickeln wird, dass in 10 bis 15 Jahren quelloffene Lösungen in jedem Fall geschlossenen Produkten vorgezogen werden. Der Mensch ist fähig zu lernen und sein Drang nach Kontrolle wird dazu führen, dass Quelloffenheit zu einer wichtigen Grundlage für den Aufbau von Vertrauen wird. Doch jetzt muss der gemeine Homo Sapiens erst mal lernen, den destruktiven, oberflächichen und kapitalistischen Eigenschaften der heutigen Zeit abzuschwören. Wie Friedrich Nietzsche sagen würde: Der Mensch muss zuerst lernen, sich selber zu überwinden.