Streiten um Begriffe Marc Ruef | 25.06.2007 Ich bin leidenschaftlicher Hobby-Philologe: Ich mag die Sprache und das Schreiben. Ich mochte es schon immer. Schon fast als Kunstform sehe ich das Strukturieren und Zusammenfassen der eigenen Gedanken an. Diesen durch ein vermeintlich simples Schriftbild Ausdruck zu verleihen und damit das Innerste seiner Seele für die Nachwelt festhalten zu können, übte schon immer unglaublichen Eindruck auf mich aus. Aus eben diesen Gründen bin ich erpicht darauf, eine möglichst präzise und dennoch fesselnde Sprache darlegen zu können. Der langwierigen Staubigkeit einer trägen wissenschaftlichen Abhandlung möchte ich genauso entkommen, wie der populistischen Primitivität verschiedener Tageszeitungen. Ich schreibe, wie ich denke. Und ich denke, also bin ich. Deshalb: Solange ich schreibe, werde ich sein. Vielleicht sogar noch darüber hinaus. Sich über Begrifflichkeiten klarzuwerden ist ungemein wichtig, um eben diese richtig einsetzen zu können. Ein gutes und mir naheliegendes Beispiel ist die Bezeichnung für ein Sicherheitsproblem in einem Computersystem. In älterer Literatur wird dies lax als "Sicherheitsloch" (engl. security hole) bezeichnet. Ich mag dieses Wort nicht. Es hat etwas Unflätiges, ja schon fast vulgäres (nicht in direkt sexuellem Zusammenhang) an sich. Deshalb bevorzuge ich Wörter wie Schwachstelle oder Sicherheitslücke. Doch auch hier spricht man eigentlich von zwei grundsätzlich unterschiedlichen Dingen. Eine Schwachstelle ist etwas, das vom Optimalen abweicht. Es könnte längerfristig zu einem Problem werden. Wird das Problem ausgenutzt, handelt es sich um eine Sicherheitslücke. Ich erachte es als ungemein wichtig, das richtige Wort zur richtigen Zeit zu nutzen. Schliesslich erkennt man in diesen Details, ob der Autor wirklich um die Beherrschung der Worte bemüht war. Halbwissen und Nachlässigkeit lassen sich damit also sehr schnell erkennen. WEP ist zum Beispiel eher eine Schwachstelle denn eine Sicherheitslücke; vor allem in einer nüchternen Fachdiskussion ohne direkten Praxisbezug. Zeitgleich verachte ich es, wenn sich Menschen an Begriffe und ihre subjektiven Definitionen klammern. Die fortwährende Debatte darüber, wer nun genau ein Hacker ist und wer nicht, ermüdet mich. Ich mag die klassische Definition des technologiebegeisterten Zeitgenossen, der sich mit Geschick und Elan an ein komplexes Problem heranwagt. Nun aber jedesmal mein Umfeld darüber belehren zu wollen, dass die moderne Definiton fälschlicherweise eher im Milieu krimineller Kleinkinder zu suchen ist, erscheint mir keine Lösung zu sein. Viel mehr versuche ich den Begriff so wenig wie möglich zu nutzen. Schade, aber so ist halt die Entwicklung der Sprache. In ähnlicher Weise kann dieser Diskurs bezüglich der Begriffe Security Audit, Vulnerability Assessment und Penetration Test weitergeführt werden. Bei allen diesen handelt es sich um Sicherheitsüberprüfungen. Ein Audit ist für mich etwas sehr allgemeines. Ein Vulnerability Assessment versuch sämtliche potentiellen Schwachstellen einer Umgebung aufzuzeigen. Und bei einem Penetration Test werden diese direkt ausgenutzt (engl. exploiting), um die Möglichkeit und Tragweite der Sicherheitslücke in der Realität erkennen zu können. Viele Kunden verwenden diese Begriffe in komplett anderer Weise. Auch ein normaler Nessus-Scan wird dann als Penetration Test bezeichnet. Ich ärgere mich ob solcher Dinge nicht mehr, auch wenn sie irgendwodurch eine Herabwürdigung meiner Profession darstellen. In der Hinsicht habe ich das Motto meines Vaters angenommen: "Sie wünschen, wir spielen." In einer Gesellschaft muss man sich halt darin üben, sich biegen zu können, ohne zu brechen. Dies ist der Vorteil, den man sich im Prozess der Evolution aneignen können muss. Schlussendlich geht es bei der Sprache nämlich doch nur um eins: Verstehen und verstanden werden. Ist das Gegenüber nicht mit der verworrenen Etymologie komplexer Begriffe exotischer Subkulturen vertraut, muss man sich halt auf dieses "Niveau" (nicht in allgemein negativem Sinne gemeint) einstellen. Es ist mir lieber, dass mich die Leute um mich herum verstehen, weder dass ich in kleinen Details für mich Recht behalte.