...und da machte es Xing! Marc Ruef | 20.08.2007 Mit dem Internet in Berührung gekommen, bin ich in jugendlichem Alter. Von der kindlichen Neugierde getrieben, habe ich alles gelesen und überall mitgemacht. Wahrscheinlich hatte ich damals wirklich auf jedem aktiven Forum zu den Themen Rockmusik, alternative Filme und IT-Security einen Account. Selbst heute noch muss ich schmunzeln, wenn ich in irgendeinem Forum per Zufall bemerke, dass ich mich mit meinen damals typischen Benutzerdaten noch anmelden kann. Das Internet vergisst eben doch nicht so schnell. Unter anderem kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, als im Jahr 2003 mit OpenBC eine professionelle Kommunikationsplattform für das berufliche Umfeld dargeboten werden sollte. Wenn ich mich nicht irre, dann war ich sogar einer der ersten Beta-Tester, wobei ich jedoch kein aktuelles Profil von mir finden konnte. Wahrscheinlich wurde es gelöscht, denn das ist nun sicher auch schon über 5 Jahre her, seitdem ich es gebraucht habe. Der Nutzen von OpenBC bzw. Xing (ab November 2006) war für mich nämlich noch nie wirklich ersichtlich. Schlussendlich handelt es sich dabei um einen MySpace-Ableger (damals wohl eher mit Geocities oder Xoom vergleichbar) für erwachsene Leute, die Krawatten tragen müssen oder wollen. Jeder, der keine eigene Webseite betreiben kann und dennoch im nicht existenten Web 2.0 ankommen möchte, pappt ein vermeintlich seriöses Portrait-Foto auf eine fremde Seite und gibt dort noch jede Menge persönlicher Details an. Alles natürlich zum eigenen Vorteil und nicht zum Vorteil anderer (z.B. der Seitenbetreiber). Im Schnitt erhalte ich einmal pro Woche eine Einladung in das ach so tolle Business-Netzwerk. Manchmal von Leuten, die ich beruflich und fachlich sehr schätze. Aber oftmals sind es nur irgendwelche Wichtigtuer, die ihre vermeintliche Beliebtheit durch eine unübersichtliche und zusammengeschusterte Freundesliste zur Schau stellen wollen. Für mich sind jedoch die Zeiten vorbei, als ich mich noch darüber gefreut habe, dass ich die 300er Marke in der Buddyliste meines ICQ geknackt habe. Diese virtuelle Form des Gruppenzwangs hoffe ich überwunden zu haben. Äussere ich mich mal wieder abfällig über Xing, weil ich erneut eine dieser nervenden Einladungen erhalten habe, wollen mich die Leute gleich bekehren. Schon fast mit religiösem Eifer heisst es dann, dass man da wichtige Persönlichkeiten treffen und Business machen kann. Von mir aus. Ich mache mein Business aber wo anders. Ich rede mit den Menschen. Ganz in Real. Lade sie mal zum essen ein oder gehe ne Runde Tennis spielen. Meine Freundesliste muss ich auch niemandem zeigen, um mich besser zu fühlen. Ein Mathematiker ist in der echten Welt verloren, würde er sie nicht simplifizieren wollen. Rundungen und Approximationen helfen dabei. Auch ich mache mir das Leben leicht und versuche meine Beobachtungen in einer naiven und deshalb zugleich sehr provokanten These zusammenzufassen: "Eine eher unwichtige Person wird eher darum bemüht sein, ihre vermeintliche Wichtigkeit zur Schau zu tragen." Oder wieso finde ich keine der bestbezahlten Manager von Schweizer Banken in Xing? Seiten wie MySpace oder Xing sind für mich nicht die evolutionäre Revolution des Web 2.0. Viel mehr sind es mit CSS und Javascript durch ästhetische Grafiker gestaltete Ableger des klassischen Web 0.9 der 90er Jahre. Zeitgleich bilden sie aber das Fundament für die Dotcom-Blase 2.0. Diese beginnt sich zu spannen. Dies ist mir spätestens seit dem unsinnigen Börsengang von OpenBC (http://www.heise.de/newsticker/meldung/82051) sowie dem überteuerten Verkauf von YouTube klar. Da ich bei der ersten New Economy mittendrin und nicht "nur" dabei war (Stichwort Weltmarktführer Biodata (http://www.weltmarktfuehrer-derfilm.de)), werde ich mich nun zurücklehnen und mein Popcorn geniessen. Diese Geschichte ist nämlich mindestens so vorhersehbar, wie der tiefe und noch immer anhaltende Fall von Britney Spears. Sollte sich der Charakter von Paris Hilton nach ihrer Freilassung nicht grundlegend ändern, wird diese Dame in den nächsten 5 Jahren in die gleiche Kerbe schlagen. Kate Moss macht es ja irgendwie schon vor. Also, will noch jemand Popcorn? Jetzt frag sich nur, was zuerst passiert: Unzählige heulende Anleger, die nach dem New New Economy Crash ihre Altersvorsorge verspielt haben oder die Einweisung einer am Boden zerstörten Paris Hilton in eine psychiatrische Klinik. Tritt ersteres ein, wird sich vielleicht bald ein neuer Begriff im Duden finden lassen: "xing|en unr. V.; hat Sein Geld leichtsinnig an der Börse mit überbewerteten IT-Firmen verlieren."