It's all about math! Marc Ruef | 10.09.2007 Vor einiger Zeit erhielt ich ein Email eines Kollegen. Er hat eine Professur für Mathematik inne. Ihn kennengelernt habe ich bei einem Projekt eines Kunden. Er war für diesen mit seiner Einzelfirma als strategischen Berater tätig und wir führten die Sicherheitsüberprüfung der installierten Online-Banking-Umgebung durch. Wir haben aufgrund ähnlicher Interessen den sporadischen Kontakt auch nach Abschluss des Projekts gehalten. In seinem Schreiben wies er mich darauf hin, dass er in Bälde an seiner Fakultät einen Vortrag zur Serie Numb3rs und den darin genutzten mathematischen Verfahren halten würde. Er wusste, dass ich mich für eben diese begeistern könne und deshalb von seiner Arbeit sehr angetan sein würde. Doch leider konnte ich an der besagten Vorlesung aufgrund eines Terminkonflikts nicht teilnehmen. Dies teilte ich ihm halt mit Bedauern per Email mit. Zeitgleich berichtete ich ihm davon, dass ich erst kürzlich der Firmgötti meiner Cousine war. Während wir auf dem Weg in die Kirche waren, eigentlich sind derlei Anlässe nicht so mein Ding, plauderte ich mit ihrem kleinen Bruder. Der 10-jährige ist ein ganz wiffer Kerl und so wollte ich wissen, welches sein Lieblingsfach in der Schule sei. Er zählte, und so habe ich es erwartet, Turnen und Zeichnen auf. Ich fragte nach, wie es denn um Mathematik stünde. Seine Antwort darauf: "Das ist langweilig, denn da geht es ja nur um Zahlen." Die Autofahrt war zu kurz, alsdass ich ihn ersthaft für die Nützlichkeit dieser klassischen Disziplin begeistern (http://www.weallusematheveryday.com) konnte. Deshalb plauderten wir stattdessen über Skateboards, Tony Hawk und meine neue Playstation 3. Er ist sehr unterhaltsam. Es ist wirklich unglaublich schade, dass so vielen Menschen in der Schule der Spass an verschiedenen Dingen verdorben wird. Seien dies nun die Oberstufenschüler, die zur Lesung von Friedrich Dürrenmatt und Hermann Hesse gezwungen werden und danach nie wieder freiwillig ein Buch anrühren. Oder halt eben die Schüler, die wegen eines staubigen Mathematiklehrers nie in Kontakt mit Probabilistik und Trajektorie kommen. Ohne diese hätte Charlie Eppes (http://www.imdb.com/name/nm0472710/) die Pilotfolge nie so schön meistern können! Aufgrund eines umfassenden Bekanntenkreises und sporadischer Tätigkeit als Dozent habe ich immerwieder Kontakt mit Lehrern. Das Leben dieser ist wirklich unglaublich schwierig, das will ich gar nicht bestreiten. Und die meisten von ihnen, wenigstens zu Beginn ihrer Tätigkeit, verfolgen die edlen Ziele der Wissens- und Wertevermittlung. Und dennoch tragen Sie genau mit ihrer Menschlichkeit die Mitschuld am Versagen der Schule. Da gibt es nun die technophoben Kindergartenlehrerinnen, die ihre Kinder in eine Welt voller Technologien schubsen, ohne sie irgendwie darauf vorbereiten zu können oder wollen. Oder die bornierten Lehrer, die die Kinder als dumme und verdorbene Generation X ansehen. Die Förderung, wie sie dringend gebraucht werden würde, bleibt sodann aus. Die pubertäre Rebellion mündet dann darin, sich für nichts und niemanden mehr begeistern zu können. Mir ging es da in der Schule nicht viel anders... Ich selbst habe keine Kinder; zum Glück. Und deshalb laufe ich hier Gefahr, über etwas zu schreiben, von dem ich nun gar keine Ahnung habe. Und in der Tat frage ich mich, ob ich meine Kinder gut erziehen, ihnen die richtigen Werte mit auf den Weg geben und sie für die Schönheiten des Lebens begeistern könnte. Wahrscheinlich werde ich es halten wie meine Eltern und meine Zöglinge zu nichts zwingen, was sie nicht machen wollen (Fördern und Fordern). Zwar empfinde ich es als sehr schade, dass ich aufgrund des fehlenden Drucks meiner Eltern nie ein Studium angefangen habe. Wer weiss, vielleicht wäre mein Leben aber viel schlechter verlaufen, wären meine Eltern um einen akademischen Grad für mich bemüht gewesen. Die Eltern und auch die Lehrer sollten sich stattdessen darum bemühen, als gutes Vorbild voranzugehen. Auch wenn ich in der Aggressionsforschung das Lernen am Modell zu grossen Teilen in Frage stelle (z.B. Einfluss gewalttätiger Computerspiele auf die eigene Aggressionsbereitschaft), ist es wohl gerade in Bezug auf positive Eigenschaften das längerfristig wirksamste Mittel grösster Nachhaltigkeit. Schliesslich konnte ich mich für Literatur nur dank meinem quirligen Deutschlehrer und für Mathematik nur dank meinem zynischem Mathematiklehrer begeistern. Ironischerweise waren es gerade jene Lehrer, die von den Eltern meisten diskutiert wurden und von den Schülern am meisten gehasst waren. Mein Französischlehrer war hingegen langweilig, der spätere Geschichtslehrer ebenso und der Lehrer für die kaufmännischen Bereiche konnte ich gar nicht leiden (er hat mich auch immer nach Hause geschickt; zu Recht). Die Schule ist, auch wenn man es nicht immer wahrhaben möchte, dennoch massgeblich für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit mitverantwortlich. Sie muss helfen zu motivieren, etwas lernen zu wollen. Letzteres ergibt sich dann für viele von selbst.