Wenn man unliebsame Freunde zu Besuch hat Marc Ruef | 17.03.2008 Höflichkeit in angemessenem Masse scheint mir eine unendlich wichtige Eigenschaft zu sein. Dem Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant folgend sollte man sein Gegenüber so behandeln, wie man das auch von ihm erwarten würde. Die katholische Kirche sieht mit "Liebe Deinen nächsten wie Dich selbst" die gleiche Verfahrensweise vor. Eine der wenigen Sätze, die man wohl für bare Münze aus dem Buch der Bücher übernehmen darf. Ist man denn nun höflich und freundlich zu seinem Umfeld, wird man in der Regel mit den gleichen Verfahrensweisen belohnt. Das Prinzip des Karmas findet also in offensichtlicher Weise in der gegebenen Praxis seine Anwendung. Kein anderer Satz drückt dies wohl so schön aus, wie das indische Sprichwort: "Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück." Dieses Prinzip lässt sich weitestgehend auf die Grundlage des Internets zurückführen: Auch hier werden Informationen geteilt und damit symbiotische Verhältnisse geschaffen. Ich mag das Internet. Durch mein Schaffen, welches ich immerwieder in offenen und freien Projekten zur Verfügung stelle, konnte ich eine Vielzahl an virtuellen Mitstreitern für mich gewinnen. Sei es nun der Student, der dank der Recherche auf computec.ch seine Semesterarbeit bewältigen konnte. Oder der Penetration Tester, der dank dem Attack Tool Kit (http://www.computec.ch/projekte/atk/) und httprecon (http://www.computec.ch/projekte/httprecon/) seiner Arbeit in effizienter Weise nachgehen konnte. Ich freue mich natürlich jedes Mal, wenn ich mitbekommen, dass irgendjemand einen Nutzen einer meiner Tätigkeit gewinnen konnte. Das Studieren der Logdateien meiner Webseiten und Projekt-Seiten ist für mich wichtig, um die Bedürfnisse der Kundschaft abschätzen zu können. Via Google initiierte Suchabfragen und das Leseverhalten auf den einzelnen Seiten zeigt mir, welche Bereich besonders intensiv studiert werden und welche wohl eher für den sporadischen Einzelnen interessant bleiben. Hierbei führe ich ebenfalls eine Auswertung der Ursprünge der jeweiligen Benutzer durch. So sind nur etwa 10 % der Besucher ebenfalls aus der Schweiz. Der Grossteil, nämlich 21 %, wird effektiv von Benutzern aus Deutschland ausgemacht. An dritter Stelle folgen die Österreicher mit nur noch 3 %. Meine Analysen zeigen mir ebenfalls exotische Herkünfte an. Gerade effektive Verlinkungen, die anhand des HTTP-Referers ermittelt werden können, sind da besonders interessant. Dabei ist mir je länger je mehr aufgefallen, dass ausländische Behörden - teilweise offizielle Nachrichtendienste und militärische Bereiche - auf meine Erzeugnisse verweisen. Das Attack Tool Kit wird von der einen oder anderen Abteilung für Computersicherheit gelistet. Und auch httprecon wurde von vielen als besonders nützlich wahrgenommen. (Ich hoffe mit telnetrecon (http://www.computec.ch/projekte/telnetrecon/) einen ähnlichen Erfolg verbuchen zu können.) Leider sind es nicht immer Länder und Institutionen, mit denen ich politische und ethische Grundsätze teile. Die amerikanische Aussenpolitik ist spätestens seit dem Einmarsch in den Irak besonders fragwürdig, palästinensische Politiker tragen nicht nur immer die edelsten Motive zur Schau, die israelischen Streitkräfte ebensowenig, die chinesische Regierung macht sich in Bezug auf Tibet in der westlichen Welt nicht nur Freunde, usw. Immer ein bisschen mit Bedauern sehe ich dann, wenn solche Organisationen einen Nutzen aus meinen Produkten ziehen. Vor allem deswegen, weil sie sich damit stärken oder ihre Macht erhalten könnten. Auch wenn ich den grossen Physikern des 20ten Jahrhunderts nun ein bisschen Unrecht tue, fühle ich mich in der Hinsicht wohl wie eben jene, als die Zerstörungskraft der Atombombe erstmals als real wahrgenommen werden musste. Richard Feynman wurde zwar nie als Ethiker der Dimensionalität eines Albert Einstein wahrgenommen. Doch auch er wird mit dem Abwurf des Resultats aus dem Manhatten Project über den japanischen Städten wohl eher schlecht geschlafen haben. Die Frage ist, ob und inwiefern ich hier reagieren muss. Soll ich den jeweiligen Organen verbieten, meine Produkte zu gebrauchen? Soll ich das mit einem offenen Brief machen oder kann ich das technisch forcieren? Ist es überhaupt sinnvoll, denn irgendwie wird man immer an meine Software und meine Publikationen kommen können? Ist das Verbot von Werkzeugen überhaupt gerechtfertigt, denn schlussendlich ist es der Mensch, der sie für bösartige Zwecke einsetzt oder nicht? Auch nach wochenlanger Überlegung komme ich zu keinem befriedigenden Ergebnis. In naiver Weise bleibt mir daher wohl nur die Hoffnung, dass der Mensch irgendwann in die Mündigkeit geführt wird und sich am Kategorischen Imperativ orientiert. Ich denke jedoch nicht, dass ich diesen Zustand des irdischen Paradieses, wie es von allen Weltreligionen angestrebt wird, noch erleben werde. Manche Konflikte kann man nicht gewinnen. Dieser ist einer, den ich nicht alleine für mich entscheiden kann.