Auch ein kalter Krieg kann hitzig sein Marc Ruef | 16.06.2008 Ich sitze gerade auf dem Akku meines Laptops. Ja, Sie haben richtig gelesen: Ich sitze gerade auf dem Akku meines Laptops. "Wieso", werden Sie sich vielleicht fragen. Eine berechtigte Frage. Nein, es handelt sich hier nicht um eine sexuelle Fantasie eines Nerds, der sich in erotischer Weise zu seiner Hardware hingezogen fühlt. Viel mehr hat dieser unbequeme Zustand einen funktionalen Hintergrund: Ich friere! Nun, wie kommt es zu dieser Situation? Ich bin gegenwärtig bei einem Kunden und habe dort das interne Netzwerk einem umfassenden Vulnerability Scan zu unterziehen. Rund 400 Server, die Clients sind von der Prüfung ausgeschlossen, müssen sich meinem TCP- und UDP-Gewitter aussetzen lassen. Da ich insgesamt fast zwei Wochen hier vor Ort bin, habe ich ein kleines Sitzungszimmer zugeteilt bekommen und kann dieses nun wenigstens temporär "mein Büro" nennen. Das Telekommunikationsunternehmen, welches mir gegenwärtig Obdach gewährt, ist wie alle Organisationen der Sparwut verfallen. Es wird überall gespart. Ob da nun die Hälfte der Security-Leute oder die hübschen Damen vom Empfang entlassen werden, Hauptsache man hat irgendwo gespart. Eine der Auswirkungen dieses Erbsenzählens ist, dass die Sitzungszimmer nur knapp beheizt sind. Ich schätze etwa 22 oder 23°c. Ich bin relativ stark behaart. Nein, nicht ganz so stark wie Austin Powers. Wahrscheinlich eher wie James Bond, als er denn noch durch Pierce Brosnan gespielt wurde. Zudem bin ich relativ sportlich gebaut und habe ein gewisses Mass an Muskelmasse. Diese beiden Eigenschaften führen dazu, dass es viel braucht, bis ich kalt habe. Spätestens dann, wenn ich kalte Füsse kriege, nicht im übertragenen Sinn, ists wirklich kalt. Nun schon den ganzen Morgen habe ich kalte Füsse. Ich dachte zuerst, dass das Sitzungszimmer nicht beheizt wird, weil kein Licht an ist. Vielleicht wird dann davon ausgegangen, dass es nicht benutzt wird. Also Licht an und abwarten. Leider hat das nichts gebracht. Ich habe meinen Laptop nun absichtlich 99 % CPU-Auslastung (es müssen noch ein paar MD5-Hashes geknackt werden) und damit ein bisschen warme Luft generieren lassen. Und den Akku habe ich mir, wie zu Beginn gesagt, unter den Hintern geklemmt. Jetzt hab ich wenigstens einen warmen Po. Schliesse ich die Augen, stell ich mir einfach vor, dass dies die Sitzheitzung meines Mercedes SLR ist ... Ach, tut das gut! Wo sind wir bloss gelandet? Im Industriezeitalter wurde der Arbeiter geschröpft, musste unter unmenschlichen Bedingungen wie eine Maschine funktionieren. Einige Generationen später sind wir nun wieder genau da angekommen. Heute friert man halt im Hochglanzbüro in der Gegenwart eines Voice-over-IP Telefons. Oder man kriegt keinen Abfalleimer mehr zugewiesen, da die Wartung dessen horrende Summen generiert. Oder die längst überfällige Gehaltsanpassung bleibt aus, weil wir halt alle den Gürtel ein bisschen enger schnallen müssen. Der Arbeiter ist wieder zum Sklaven degradiert worden. Brave new old World! Übrigens ist das der dritte Scan, den ich hier bei diesem Kunden in dieser Weise durchführe. Eine, aufgrund der vielen Zielsysteme, äusserst anstrengende Angelegenheit. Die Langwierigkeit macht es nicht einfacher, bei diesen vielen tausend Diensten (oftmals proprietäre Entwicklungen) den Überblick zu wahren. Wirklich traurig ists aber deswegen, weil ich zum dritten Mal die gleichen Dinge zu beanstanden habe. Es scheint, als würde ich hier einfach nur Geld kriegen, um Papier, das niemand lesen wird, zu produzieren. Dies motiviert mich nicht wirklich. Na ja, bald ist Feierabend und ich kann nach Hause. Dort läuft wenigstens die Heizung auf gut 24°c. Notfalls wärmt mich meine Playstation 3 ein bisschen. Mehr brauch ich nicht. Vorerst jedenfalls.