Fist of Zen vs. Frederic Fitch: Wichtig ist was wichtig wirkt Marc Ruef | 23.06.2008 Als das Wikipedia-Projekt ins Leben gerufen wurde, war ich regelrecht begeistert. Die Idee erschien mir brilliant, sollte sie denn dabei helfen, eine riesige Informationsdatenbank für jedermann zu schaffen. Das Internet sollte also nicht nur als Porno-Archiv und Spam-Schleuder herhalten: Freude herrscht! Irgendwann habe ich mich dann ebenfalls darum bemüht, die bestehenden Artikel zu verbessern (entweder fachlich oder sprachlich). Einige Artikel habe ich gar selbst verfasst. Zu meinem Erstaunen wurden wohl etwa 80 % meiner Einträge rückgängig gemacht oder kommentarlos gelöscht. Wurde denn mal hingeschrieben, was dem Eintrags-Moderator nicht passte, dann war das soetwas wie: "Irrelevant" oder "Inkorrekt". Na ja, ich dachte eigentlich, dass mein Wissen zu Netzwerken und Computersicherheit ganz solid zu sein scheint - Jedoch scheint es nicht für die Wikipedianer zu reichen. Schade. Solche Geschichten kann wohl fast jeder erzählen, der sich an der Mitarbeit am Wikipedia-Projekt versucht hat. Und das Resultat zielt in die gleiche Richtung: Resignation. Ich selbst habe gar keine Lust mehr, mich mit irgendwelchen Benutzern darüber zu streiten, ob ein Link auf Seite X nun gerechtfertigt ist oder nicht. Oder ob man den englischen Ausdruck oder die deutsche Variante eines englischen Begriffs verwenden sollte. Als ich vor einiger Zeit ein Buch über Prädikatenlogik las (Language, Proof and Logic (http://www.amazon.com/dp/157586374X)), stiess ich auf die mir bis dato unbekannte Fitch-Notation. Frederic Brenton Fitch (1908-1987) war ein US-amerikanischer Logiker, der eine Professur an der Yale University inne hatte. Die nach ihm benannte Notation wird verwendet, um in der First-order-Logic (FOL) Beweise mittels Premissen, Lemmas und Subproofs zu erbringen. Durch die Blockstruktur, welche die meisten wohl aus der Programmierung her kennen (alles fing mit Algol 58 an!), lassen sich da ganz übersichtliche Gebilde erstellen. So suchte ich dann instinktiv die deutsche Fassung von Wikipedia auf, um mir ein Bild darüber zu machen, was der Mann denn so geleistet hat. Und zu meinem Erstaunen fand ich: NICHTS! In der deutschen Ausgabe der Online-Enzyklopädie findet weder die Fitch-Notation noch dessen Erdenker ein eigenes Plätzchen (nur eine kurze Erwähnung im Artikel Systeme natürlichen Schließens). Anders sieht es zwar in der englischen Ausgabe von Wikipedia aus (zur Notation findet sich gar ein illustres Beispiel), doch dies vermag meine tiefe Traurigkeit zur allgemeinen Situation nicht zu lindern. Auf Wikipedia findet sich doch irgendwie jeder Schrott: Irgendwelche D-Promis, die mal irgendwie mit einem Fussballer geschlafen haben; oder irgendwelche Autoren schäbiger Schundromane, die man bei jedem Kiosk für ein Butterbrot erhält; oder Hinweise auf kurzlebige Firmen, die sich in schönster Weise präsentieren wollen. Soetwas elegantes wie die Fitch-Notation scheint hingegen zu unpopulär: "Wer braucht das schon? Was bringt einem das? Was, da muss man lesen? Ja, sogar denken? Nein Danke. Ich geh wieder Fist of Zen gucken..." Ich täte nun natürlich Unrecht, würde ich aufgrund dieser Geschichten die gesamte Wikipedia und die vielen Helfer denunzieren. Nichts liegt mir ferner als dies. Dennoch soll damit die Grenzen des Systems, welches meines Erachtens aufgrund der demokratischen Verhältnisse zum Scheitern verurteilt ist oder wenigstens seine eigenen Schranken mit bringt, aufgezeigt werden. Bei offenen Projekten ist es genau gleich wie bei staatlichen Medien: Kritizismus anbringen in jedem Augenblick, um sich nicht manipulieren zu lassen. Medienkompetenz wird also je länger je mehr unabdingbar.