Das Dr. House-Syndrom Marc Ruef | 04.08.2008 Viele kennen ihn, den zynischen und brillianten Arzt aus der gleichnamigen Serie (http://www.imdb.com/title/tt0412142/): Dr. Gregory House ist Leiter für diagnostische Medizin und bekommt jene Fälle zugewiesen, an denen die anderen Ärzte bisher gescheitert sind. Die Parallelen zum fiktiven Meisterdetektiv Sherlock Holmes, der eine Korifäe des gleichen Ausmasses bezüglich polizeilicher Ermittlungen im viktorianischen London war, sind nicht ungewollt. Die Brillianz von Dr. House führt dazu, dass er manchmal ein bisschen überheblich wirkt und sich unverhohlen über die Nachlässigkeit bzw. Unwissenheit seines Umfelds lustig macht. Auf den ersten Blick gar kein sympathischer Zeitgenosse, der jedoch dank seiner Vielschichtigkeit dennoch als liebenswürdiger Anarchist enttarnt werden kann. Im Leben trifft man immer wieder Leute, die sich wie Dr. House aufführen. Leute, die dermassen von ihrer Genialität überzeugt sind, dass sie sich keine Gelegenheit entgehen lassen, entweder das Gegenüber in chauvinistischer Weise auf den eigenen Vorteil hinzuweisen. Oder sich halt direkt über die Unpässlichkeiten anderer lustig zu machen. Auf der Welt wimmelt es manchmal nur so von kleinen Dr. Houses. Das Problem ist, dass nur die allerwenigsten mit einer derartigen Brillianz aufwarten können, alsdass ihre zynische Überheblichkeit gerechtfertigt wahrgenommen werden will. Den meisten Möchtegern-Doktor-Houses fehlt es einfach an den geistigen Möglichkeiten, um sich als unerschütterliche Kapazität aufspielen zu können. Der uneingeschränkte und nicht selten verletzlich wirkende Zynismus zeigt zugleich, dass es auch an sozialer Kompetenz fehlt. Diese vermeintlichen Genies sind also eigentlich gleich doppelt im Nachteil, ohne es gar selbst zu wissen. Ich habe einen guten Freund, der ebenfalls im Bereich der Computersicherheit tätig ist. Er ist in diesen Kreisen wohlbekannt und seine Arbeiten gut geschätzt. Dennoch hat er immer wieder Mühe sich Freunde zu machen. Er ist unzuverlässig, unpünktlich, egozentrisch und überheblich. Wer will schon mit sojemandem zusammenarbeiten? Ich sicher nicht! Es ist mir egal wie brilliant jemand ist, da arbeite ich lieber mit jemandem weniger genialen zusammen und muss mich dafür nicht ständig ärgern. Das brigt mir ein Mehr an Seelenwohl und eine weitaus bessere Nachtruhe. Diese Vorteile kann wohl kein Geld der Welt ausgleichen. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn eine hochgradig studierte und integere Person ihr Umfeld auf fatale Fehler hinweist. Dies kann manchmal, wenn es denn die Hektik der Situation vorgibt, auch mit der schwersten Keule geschehen. Doch erachte ich es noch immer als zusätzliche Fähigkeit hoher Wichtigkeit, wenn man Kritik in sachlicher und emotional schonender Weise vortragen kann. Die Motivation eines Teams, und unsere Gesellschaft ist sich um die Bildungen solcher bemüht, kann damit aufrechterhalten oder gar verbessert werden. Das narzisstische Ego sollte also bei der Kritikübung nicht im Mittelpunkt stehen. Habe ich es denn mal wieder mit einem kleinen Dr. House zu tun, passiert immer das Gleiche: Ich warte ab, bis sich die Person durch ihre Überheblichkeit derartig exponiert, dass ein eigener Fehler übersehen oder übergangen wird. Just in diesem Moment weise ich mit der gleichen Härte auf die Unstimmigkeit hin und füge subtil hinzu, dass diese unangenehme Situation der brachialen Blossstellung doch bitte in Zukunft auch den anderen erspart bleiben sollte. Es ist ein bisschen mit der Erarbeitung eines bedingten Reflexes bei der Dressierung von Tieren vergleichbar. Manchmal hilfts und es wird daraus gelernt. Die Leute dieser charakterlichen Struktur sind aber nicht selten derartig in ihrem Wahn gefangen, dass die pragmatische Hilfestellung schon bald wieder vergessen ist und man sein Umfeld wieder mit verletzendem Zynismus und nervtötender Überheblichkeit straft. Zum Glück bin ich relativ gut darin Dinge zu ignorieren.