Wie man ein Fachbuch schreibt und publiziert Marc Ruef | 15.06.2009 In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es eine bemerkenswerte Anzahl an Leuten, die gerne ein Fachbuch schreiben und veröffentlichen würden. Einige davon formulieren erst ihren Gedanken, andere haben schon etwas geschrieben und möchten nun einen Verlag zwecks Publizierung angehen. Nicht selten bittet man mich um Rat, wie man soetwas am besten ansteuern soll. In diesem Beitrag möchte ich meine Sicht der Dinge darlegen und die gesammelten Erfahrungen weitergeben. Es gibt eigentlich zwei Arten, wie man ein Fachbuch schreiben kann. Zum einen fängt man einfach mal damit an und sucht sich später, wenn man schon einen Grossteil geschrieben oder gar das gesamte Manuskript beendet hat, einen Verlag. Oder man sucht sich zuerst einen Verlag, definiert mit diesem das Konzept und geht das Projekt sodann als Auftragsarbeit an. Beide Herangehensweisen haben Vor- und Nachteile. Ich selbst habe 1998 mit dem Schreiben eines deutschsprachigen Buchs zum Thema Computersicherheit begonnen und schon einige Kapitel nach meinem Geschmack fertiggestellt. Im Jahr 2001 kam Marko Rogge (http://www.marko-rogge.de), ein langjähriger Freund, auf mich zu und berichtete mir davon, dass er und zwei andere Bekannte zur Zeit mit Data Becker, einem bekannten deutschen IT-Verlag, in Verhandlungen zu einem Buch zum Thema Computersicherheit seien. Er bot mir an als Mitautor einzusteigen. Der Verlag hatte konkrete Vorstellungen, wie er sich mit seinem Buch im damals noch verhältnismässig jungfräulichen deutschen Markt positionieren wollte. der Titel (Hacking Intern (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/381582284X)) sowie die Themengebiete waren konkret definiert und es wurde auf Basis derer zusammen mit den Autoren ein Inhaltsverzeichnis erarbeitet. Noch bevor offiziell eine Zeile für das Buch geschrieben wurde, waren Umfang, Ausrichtung und Inhalt definiert. Da ich mit meinen ersten Schreibversuchen in eine etwas andere Richtung zielte, konnte ich nur sehr wenige Absätze und Ideen weiterverwenden. Der Vorteil einer vordefinierten Projektarbeit ist, dass man sich verhältnismässig sicher sein kann, dass der Verlag das Buch, das er ja in Auftrag gegeben hat, auch drucken wird. Viele Autoren fühlen sich unbehaglich dabei, etwas aus Eigenregie zu schreiben, ohne zu wissen, ob die Arbeit auch wirklich irgendwann aufgelegt und gelesen wird. Doch ich empfehle eigentlich jedem, der genügend Eigeninitiative und Selbstdisziplin mitbringt, sein eigenes Konzept zu entwickeln und auch ohne Vertrag ein Buch auszuarbeiten. Mit Die Kunst des Penetration Testing (http://www.computec.ch/mruef/?s=dkdpt) habe ich nach der Fertigstellung von "Hacking Intern" im September 2002 angefangen. Ich rechnete mit rund 1'000 Buchseiten, wobei ich mich ab rund 600 geschriebenen A-Seiten (das sind etwa 750 Buchseiten) um einen Verlag bemühen sollte. Das Schreiben von Büchern ist meines Achtens keine besondere Schwierigkeit. Eigentlich muss man lediglich ein gewisses Mass an Selbstdisziplin mitbringen und sich in der Ordnung von komplexen Themengebieten verstehen. Ich beginne bei grösseren Artikeln oder Büchern immer mit einem Konzept, in dem ich das Zielpublikum beschreibe, die Ausrichtung sowie die Detailtiefe des Buchs skizziere. Danach nehme ich mir sehr viel Zeit - meist mehrere Wochen - das gesamte Inhaltsverzeichnis zu erarbeiten. Erwarte ich ein Buch mit 500 Seiten, so definiere ich 5 bis 10 Hauptkapitel. Diesen weise ich eine gleichmässige Anzahl Unterkapitel - meist 3 bis 5 - zu. Sodann lässt sich sehr einfach berechnen, wie lang ein Unterkapitel in etwa sein wird. In diesem Falls sind es rund 17 Buchseiten. Das ist ideal, hat man denn stets die Möglichkeit, die Informationen modular zu bündeln. Zudem lassen sich im abgesteckten Rahmen durchaus eine solide Anzahl an Details unterbringen. Sobald das Inhaltsverzeichnis steht, muss man sich nur noch die Zeit nehmen, die jeweiligen Kapitel zu schreiben. Dabei rechne ich jeweils mit jeweils 8 Stunden für das Recherchieren, Schreiben, Layouten, Illustrieren und Korrigieren von 2 Buchseiten. Dies ist verhältnismässig lange, kann denn ein flinker Autor in der gleichen Zeit etwa 5-7 Buchseiten produzieren. Das sind dann etwa 800 Stunden, die man für die 500 Seiten braucht. In der Regel wird sowieso das Layouten, Illustrieren und Lektorieren des Manuskripts durch den Verlag übernommen. Dabei muss ich anmerken, dass die Komplexität eines Fachbuchs ab 500 Seiten exponentiell ansteigt. In einem guten Fachbuch sollte durch eine intelligente Gliederung die Modularität beibehalten werden, wobei dem Leser durch das gesamte Buch ein roter Faden dargelegt werden will. Wohl in keinem Fachgebiet kommt man drum herum, auf schon besprochene oder erst in einem weiteren Kapitel weiter ausgeführten Diskussionen zu verweisen. Diesen Verweisen kann aber sehr schwierig zu folgen sein, weshalb man ab und an die gleichen Informationen wiederholen muss. Diese Redundanz sollte jedoch möglichst gering gehalten werden, um den Leser nicht mit den gleichen Diskussionen zu langweilen. Ein gutes Beispiel für ein Fachbuch, das diese Gratwanderung hervorragend gemeistert hat, ist TCP/IP Illustrated, Volume 1: The Protocols (http://www.amazon.de/dp/0201633469/) von W. Richard Stevens. Eine eher chaotische Darlegung eines Sachverhalts zeigte Eldad Eilam in Reversing: Secrets of Reverse Engineering (http://www.amazon.de/dp/0764574817/) auf. Die Stärke dieses Buchs liegt jedoch viel eher in einer speziellen Form der Innovatität. Und zwar vermochte Eilam als erster, das hochkomplexe Thema des Reverse Engineerings halbwegs gescheit in einem umfangreichen Buch zusammenzufassen. Ein Buch kann also entweder durch Innovatität oder durch eine besondere Eleganz in der Darlegung altbekannter Sachverhalte brillieren. Die Kombination aus beidem wäre wünschenswert, lässt sich aber naturbedingt nicht durchsetzen (http://www.computec.ch/news.php?item.125). Ein eigenständige Arbeiten führt den Vorteil mit sich, dass man sich nicht unmittelbar und ständig den Bedürfnissen des Verlags beugen muss. Es ist nämlich unbestritten, dass Verlag und Autor in der Regel diametral entgegengesetzte Anforderungen haben. Dem Verlag geht es in erster Linie darum, mit möglichst wenig Aufwand (Koordination mit dem Autor, Korrekturen des Manuskripts, Layouting des Buchs, Werbung für den Titel, etc.) möglichst viele Verkäufe und damit Einnahmen zusammentragen zu können. Viele Autoren erarbeiten sich ein Buch jedoch eher darum, weil sie sich selbst verwirklichen, ihre eigenen Gedanken vortragen möchten. Das Geld spielt eine eher untergeordnete Rolle, wenigstens bei den ersten ein, zwei Büchern. So ist es dann auch gegeben, dass die Bezahlung gerade bei Neuautoren eher schlecht ist. Dabei gibt es eigentlich zwei Honorarmodelle. Einerseits gibt es Buchtitel, deren Erarbeitung zu einem Fixpreis abgekauft wird. Dies ist vorzugsweise bei Projektarbeiten der Fall. Bei einem Buch von etwa 500 Seiten kann man da mit etwa EUR 10'000 rechnen. Andererseits sprechen Verlage manchmal auch eine ergänzende oder alternative Gewinnbeteiligung aus. Diese beträgt zum Beispiel 10-15 % des Reingewinns. Pro Buch, das für rund EUR 100.- über den Ladentisch geht, verdient der Autor dann meist etwa EUR 2.- bis 5.- Die Vertragsverhandlungen sind oft nicht einfach, versucht der Verlag natürlich mit allen Mitteln seine vermeintlich stärkere Position auszuspielen. Frei nach dem Motto: "Wenn Sie unseren eher schlechten als rechten Autorenvertrag nicht akzeptieren, wird Ihr Buch wohl niemals jemand drucken." Doch tatsächlich ist es so, dass Verläge sehr froh darüber sind, wenn sie einen guten Autoren zur Hand haben. Gut bedeutet hierbei nicht nur, dass er interessante und aktuelle Dinge schreiben kann. Ebenso sind Zuverlässigkeit und einfache Handhabung des Geschäftspartners (schliesslich verringern diese Aufwand und Kosten) erwünscht. Auf was man sich beim Auflegen eines Fachbuchs nach Möglichkeiten nie einlassen sollte, sind eine bezahlte Zusammenarbeit mit Verlägen. Bevor ich mein erstes Buch herausgegeben habe, habe ich mit Dutzenden von Verlägen verhandelt. Einige davon wollten mein Manuskript, das sie noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatten, nur drucken, wenn ich die Kosten bzw. einen Teil dieser übernehmen sollte. Meine Einstellung ist jedoch, dass man als solider Autor für seine Arbeit entlöhnt werden sollte und der Verlag zu einem grossen Teil dankbar sein kann, dass man gutes Material liefert. Ist man denn nun um die vertragliche Bindung an einen Verlag bemüht, sollte man sich fragen, in welcher Art man das eigene Buch vermarktet sehen möchte. Einem jeden Verlag haftet ein Image an, das unweigerlich auf den Buchtitel reflektiert wird. Es ist ein gänzlicher Unterschied, ob man nun bei einem Verlag wie Franzis (http://www.franzis.de) (sehr populistisch) auflegt oder doch lieber den Springer Verlag (http://www.springer.com) (eher wissenschaftlich) für sich gewinnt. Die Popularität und Grösse eines Vertrags deutet zwar auf ein grosses Werbebudget hin. Doch oftmals sind die grösseren Verlagshäuser aufgrund ihrer anonymen Maschinerie sehr wenig um die Bedürfnisse ihrer Autoren bemüht. In manchen Verlagshäusern spricht man dann nicht mehr von Lektoren, sondern von Projektleitern. Die Auflage von Fachbüchern kann sehr stark variieren. Bei "Hacking Intern" wurde die Erstauflage mit 10'000 Stück definiert. Der Populismus des Verlags und des Titels sollte dafür sorgen, dass das Buch nach rund einem Jahr ausverkauft war. Im Gegensatz zielte "Die Kunst des Penetration Testing" auf professionelle Penetration Tester ab, von denen es im deutschsprachigen Raum vielleicht etwa 50 bis 75 Stück gibt. Die Erstauflage war entsprechend lediglich mit 2'500 veranschlagt. Da ich mit diesem Titel jedoch scheinbar ebenfalls eine Vielzahl an Administratoren und Entwickler begeistern konnte, mussten mehrere Nachdrucke in Auftrag gegeben werden. Die Grundregel besagt: Umso unpopulärer ein Thema ist, desto geringer ist die Anzahl Leser und mit ihnen die Anzahl der verkauften Bücher. Mit "Die Kunst des Penetration Testing" wollte ich ein perfektes Buch liefern. Es sollte keine Mängel, keine Schwächen aufweisen. Um dem Risiko entgegenzuwirken, dennoch mit dem Endresultat nicht zufrieden zu sein, habe ich jedes Kapitel durch mehrere handverlesene Fachlektoren aus meinem Freundeskreis korrekturlesen lassen. Sie sollten mich auf fachliche, logische, sprachliche und grammatikalische Fehler hinweisen. Diesem Prozess ist genügend Zeit beizumessen, denn er kann sehr aufwendig sein. Doch es gilt stets im Hinterkopf zu behalten: Jeder Fehler, der einem Fachlektor vor dem Druck auffällt, bleibt dem Leser vorenthalten. Matthias Leu, Autor des bekannten CheckPoint-Buchs und langjähriger Freund, sagte jedoch einmal sinngemäss: "Und doch öffnet man das gedruckte Buch zum ersten Mal, um innert Sekunden einen bis dato nicht aufgefallenen Fehler zu finden." Damit muss man leben können (http://www-cs-staff.stanford.edu/~uno/books.html). Manche Verlage sehen kein Werbebudget vor. Sie gehen davon aus, dass der Autor mit eigenen Einlagen oder viel Arbeit (Mund-zu-Mund Propaganda) den eigenen Titel bekannt macht. So oder so ist man also als Autor im Vorteil, wenn man frühzeitig eine gewisse Leserschaft für sich gewinnen konnte. Dies zum Beispiel durch aktive Arbeit in Fachkreisen (z.B. Webforen) oder durch vorangegangene Fachpublikationen (z.B. Fachartikel). Grössere Verlage sind jedoch darum bemüht, ebenfalls das eigene Buch zu bewerben. Zum Beispiel als Erwähnung in anderen Buchtiteln, durch Werbung in Fachzeitschriften oder durch den Versand von Rezensionsexemplaren. Ist das Buch dann endlich erschienen, vom Konzept bis zum Druck muss man mit mindestens einem Jahr intensivem Aufwand rechnen, werden früher oder später Kritiken zu diesem erscheinen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man sich diesen stellen kann. So mancher Nobelpreisträger der Literatur mochte erzählen, dass er sich nie um die Kritiker geschert hat. Dies ist eine einfache und kostengünstige Lösung. Sie verhindert jedoch, dass man als Autor aus den Fehlern lernen und sich verbessern kann. Auch wenn es nicht immer einfach erscheint, sollte man sich die Kritik der Leserschaft aufmerksam anhören und versuchen die wichtigsten Punkte für weitere Arbeiten - eventuell gar in einer überarbeiteten Neuauflage - zu berücksichtigen. In diesem Sinne wünsche ich jedem angehenden Fachautor viel Glück und Spass!