Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil Marc Ruef | 22.06.2009 Die meisten von uns können sich sicher noch an die Schulzeit erinnern, als man sich in mühseliger Weise mit traditionellen Fächern wie Deutsch, Mathematik oder Physik herumärgern musste. Viele Schüler, gerade jene mit den weniger guten Noten, machen lautstark ihrem Ärger Dampf, indem sie unablässig darauf hinweisen, dass sie das vermeintliche Wissen ja sowieso nie brauchen werden. Da wird dann gesagt, dass Gross-/Kleinschreibung nutzlos wäre, weil es ja nur darum geht, dass einem der andere versteht. Oder das Berechnen einer Kantenlänge eines Rechtecks wäre nur dann sinnvoll, wenn man irgendwann ein Haus bauen will (was man angeblich nie tun wird). Und über die Halbwertszeit von Strontium 90Sr will ich erst gar nicht debattieren (Es ist eines der energiereichsten, langlebigsten Isotope, die Betastrahlung aussenden - Cool!). Die Nutzlosigkeit einiger der transportierten Wissensbrocken sowie die Herangehensweise der Vermittlung in unserem Schulsystem will ich nicht bestreiten. Viele Lehrer täten besser daran, wenn sie sich für die Programmierung von Computern oder das Herumkommandieren von Soldaten einsetzen würden (in manchem Fällen ist dies gar nicht mal so unterschiedlich). Dennoch kann man irgendwodurch jedem Schulwissen irgendetwas nützliches abgewinnen. Gehen wir davon aus, dass wir bei einer Militärmacht eingespannt sind, die die Schweiz als potentiellen oder effektiven Gegner deklariert hat. Nicht dass ich hoffe oder annehme, dass das gegenwärtig so ist. Es könnte jedoch theoretisch sein. Als Mitglied des militärischen Nachrichtendiensts, man ist als "unscheinbarer" Analyst angestellt, hat man die Medien der feindlichen Staaten im Auge zu behalten: Informationen zu politischen Veränderungen oder militärischen Anschaffungen sind von höchstem Interesse. Gehen wir nun weiterhin davon aus, dass in den Tagesmedien der Schweiz darauf hingewiesen (http://www.20min.ch/news/schweiz/story/25279152) wird, dass die eingesetzten F/A-18 Hornet mit AIM-9X Sidewinder-Raketen (Bambini-Code Siwa) ausgestattet werden sollen. Dabei wird auf das Rüstungsprogramm 2003 hingewiesen, welches für die Anschaffung durch die Armasuisse (http://www.ar.admin.ch/) eine Budgetierung von 115 Millionen Franken zugelassen hat. Die Anzahl der eingekauften Raketen unterliegt jedoch der Geheimhaltung. Ich kriege nun von meinem Vorgesetzten die Aufgabe gestellt herauszufinden, wieviele Raketen wohl angeschafft wurden. Dies ist mit einem kleinen Dreisatz lösbar. Wir wissen, wieviel Geld total ausgegeben wurde (115'000'000 CHF). Es gilt nun herauszufinden, wieviel ein AIM-9X Sidewinder-Rakete kostet. Eigentlich sind wir selber im Besitz solcher Raketen bzw. kennen wir den Verkaufskatalog der US-Navy. Sind wir nicht im Besitz solcher Verbindungen, konsultieren wir das Internet. Dort wird das besagte Objekt zur Zeit mit einem Stückpreis von etwa 320'000 US-Dollar (ca. 350'325 CHF) angeboten. Man dividiert nun den Gesamtpreis durch den Stückpreis und erhält die etwaige Anzahl eingekaufter Raketen: center115'000'000 / 350'325 = 328,27/center Unser Vorgesetzter wird erstaunt ab unseren Fähigkeiten sein. Er wird diese Information voller Freude an die zuständigen Stellen weiterreichen und uns für eine Beförderung vorschlagen. Und dies alles nur, weil wir in der Lage waren, eine grosse Zahl durch eine etwas kleinere Zahl zu dividieren. Vielen Dank an meinen Mathelehrer Herrn Zimmerli aus der 5ten Klasse! Auf der letzten Seite der jüngsten Gratiszeitschrift Blick am Abend (http://www.blick.ch/blickamabend) nimmt Filmkritiker, Windsor-Kenner und Buchautor Helmut-Maria Glogger (http://www.blick.ch/lifestyle/glogger) kein Blatt vor den Mund. Abend für Abend schreibt er in der Rubrik "Mail an..." offene Emails, kritisiert und lobt Leute des öffentlichen Interesses. Vor einiger Zeit schrieb er über die jüngst gefundene grösste Mersenne-Primzahl (http://www.mersenne.org/prime.htm) mit ihren 12'978'189 Stellen (Stand September 2008). Mit Hohn durchsetzt fragte er rethorisch, ob wir nun stolz auf diese Leistung bzw. das Schulsystem sein können und ob es sich lohnt, dass er seinem Sohn im Schulalter darüber berichtet. "Verbessert es unser leben?", hat er spöttisch gefragt. Der Hohn war fehl am Platz. Das sollte dem guten Mann spätestens dann bewusst werden, wenn dank verbesserter Primfaktorzerlegung die verschlüsselten Verbindungen im Internet ohne weiteres mitgelesen und beim Online-Banking ohne grösseren Aufwand Geld abgezweigt werden kann. Schliesslich basieren moderne kryptografische Verfahren (z.B. RSA) auf grossen Primzahlen und der Schwierigkeit der Primfaktorzerlegung. Solange der epochale Quantensprung bezüglich der letzteren nicht eingesetzt hat, hat man gefälligst den Primzahlen Respekt entgegenzubringen - Und den Männern und Frauen, die sich mit den vermeintlich sinnlosen Zahlenspielen auseinandersetzen.