Geschlossene Systeme und ihre Zukunft am Beispiel des iPhone Marc Ruef | 23.08.2010 Kein Unternehmen hat sich je in derartiger Weise wie Phönix aus der Asche erhoben, wie dies Apple in der Lage war. In den 80er und 90er Jahren durch andere Hersteller und Plattformen belächelt - am lautesten gelacht hat Microsoft -, gilt das Unternehmen um Steve Jobs mittlerweile neben Google als Branchenriese mit der erfolgträchtigsten Zukunft. Es sind die Produkte iPod, iPhone und iPad, die Apple zu neuer Marktstärke verholfen haben. Rückblickend sind zwei Dinge für diesen Erfolg massgeblich verantwortlich. Einerseits ist dies eine durchdachte und hochgradig moderne Marketing-Strategie, an der sich ganze Lehrbücher orientieren werden. Andererseits ist es die unglaubliche Einfachheit und hohe Ergonomie, die die jeweiligen Produkte mitzubringen in der Lage sind. Wer ein aktuelles Modell eines iPhone in der Hand gehabt hat, der will nur ungern zurück zur hakeligen und ungestümen Funktionsweise von Windows Mobile, BlackBerry und Symbian. Apple hat aber nicht nur in Bezug auf diese Eigenarten ein komplett neues Zeitalter für technische Geräte eingeläutet. Ebenso sind iTunes und der AppStore ein wichtiges Instrument, um den bestmöglichen Gewinn für den Hersteller herauszuwirtschaften. Durch die zentrale Steuerung wird es möglich, an jedem Download - sei dies nun Musik, Podcast oder Anwendungen - mitzuverdienen. Die Produzenten und Entwickler stellen ihr Erzeugnis Apple zur Verfügung, die es wiederum im Store zum Download anbieten. Dadurch kann gleichzeitig ein Qualitätsmanagement durchgesetzt werden. Denn entspricht ein Produkt nicht den Wünschen und Anforderungen von Apple, wird es einfach zurückgewiesen. Dabei können technische, funktionale und ergonomische Gründe verantwortlich sein. Oder es können wirtschaftliche, politische oder gar moralische Einschränkungen mitschwingen. Da die Endgeräte dank der geschlossenen Plattform und der DRM-Einschränkungen nicht ohne weiteres Produkte aus anderen Quellen beziehen können, sind sowohl Entwickler als auch Endanwender der Gunst des Übervaters Apple unterworfen. Es gibt eine schier unendliche Anzahl an Apps, die im AppStore angeboten werden. Eine Vielzahl an Entwicklern buhlt mit ihren Tools und Gadgets um die Gunst der Anwender. Die meisten Entwickler haben dabei mehr früher als später das grosse Geld im Blick. Wird eine App für 2 EUR angeboten und diese 10'000 Mal heruntergeladen, dann hat man schon mal schnell 20'000 EUR verdient. Nicht schlecht für eine Handy-Applikation ... Es gibt wohl nur wenige Hobby-Programmierer, die in der Vergangenheit mit ähnlichem Gewinn aufwarten konnten. Eine regelrechte Goldgräberstimmung hat sich damit entwickelt. Doch die meisten Entwickler merken früher oder später, dass eine qualitativ gute App nicht zwingend Geld einspülen wird. Viel mehr muss man sich zuerst mit der Gängelung von Apple herumschlagen. Sind dies einerseits technische Einschränkungen, die die Zielplattform nunmal mit sich bringen (z.B. bis iOS4 keine speicherresidenten Prozesse). Andererseits aber auch die willkürlich erscheinende Politik von Apple in Bezug auf die Freigabe von Produkten: Mal muss man ewig auf Feedback warten. Mal kriegt man eine Absage ohne ersichtlichen Grund (z.B. falsche Verwendung eines Objekts). Und mal konkurriert man zwangsläufig mit einem Produkt von Apple selbst. Auf die Goldgräberstimmung folgt bei vielen die Katerstimmung. Man beginnt sich zu fragen, warum man sich diese Unterwürfigkeit überhaupt antut. Schliesslich gibt es so viele populäre, effiziente und offene Plattformen, auf denen man sich nach Herzenslust austoben kann. Man braucht kein OS X, kein Objective-C, kein Xcode/Cocoa. Man kann für die Entwicklung das Betriebssystem, die Programmiersprache und die Technologie - also das Werkzeug seiner Wahl - nehmen. Niemand schreibt einem vor, was und wie man zu programmieren hat. Man kann sein Produkt gratis, kostenpflichtig, vorkompiliert oder quelloffen veröffentlichen. Wie es einem beliebt. Durch geschlossene Systeme werden junge Programmierer in ihrer Entfaltung gehemmt. Sie werden gezwungen, sich in die Abhängigkeit eines grossen Unternehmens zu begeben, das in erster Linie seinen Aktienkurs im Blick hat. Apple ist deshalb massgeblich mitverantwortlich, dass eine ganze Generation von Entwicklern ein komplett schiefes Weltbild in Bezug auf die Software-Entwicklung entwickeln wird. So sehr ich den Verdienst von Apple zu würdigen weiss, schliesslich haben sie eine ganze Branche wach gerüttelt, so sehr hoffe ich, dass sie durch weltoffene und weitsichtige Entwickler und Kunden wieder in ihre Schranken verwiesen werden. Man darf es sich dabei nicht zu einfach machen, und pauschal ein gesamtes Unternehmen vergöttern oder verdammen. Stattdessen liegt es daran Kompetenz dafür zu entwickeln, welche Aspekte positive und welche negative Auswirkungen haben werden. Das iPhone überzegt noch immer in Bezug auf seine Ergonomie. Aber dass nach dem iPad nun ebenfalls OS X mit AppStore/DRM eingeschränkt werden soll, das lässt sich definitiv nicht mehr rechtfertigen.