Das Gesetz ist stumm Marc Ruef | 04.04.2011 Als Kind wollte ich Detektiv werden. Halt so wie Sherlock Holmes, dessen Geschichten ich vor allem in jugendlichem Alter geliebt habe. Ich mochte den kokainsüchtigen und Violine spielenden Antihelden mitunter deswegen, weil er als letzte Instanz für alle Verzweifelten galt, denen Ungerechtigkeit widerfahren ist. "Wenn Dir niemand helfen kann, dann vielleicht Sherlock Holmes", habe man im viktorianischen England aus der Feder Sir Arthur Conan Doyles gesagt. Mit Holmes ein Mann, der als Kapazität seines Fachs gilt, das hat mich stets fasziniert. So wollte ich auch immer sein. Die Realität weist da eine etwas rauhere Beschaffenheit auf. Als Kapazität zu gelten, das sollte sich als bedeutend schwieriger herausstellen, als ich es mir im Kindesalter vorgestellt hatte. Umso mehr freue ich mich dann, wenn jemand mit einem besonders komplexen Problem an mich herantritt. Wenn also jemand sagt: "Es konnte mir bisher niemand helfen. Vielleicht aber Du..." Ich wurde schon so manches Mal von Privatpersonen und Behörden bei der Unterstützung von Kriminalfällen angefragt. Meist sind es die besonders skurrilen Geschichten, die es bis an meinen Schreibtisch schaffen. Betrüger, die sich mit einem unbekannten Trick einen Vorteil verschaffen. Oder Brandstifter, die mit besonders aufwendigen Methoden ihrem Handwerk nachgehen. Oder Erpresser, deren Dreistigkeit sie schier unberechenbar macht. Ich liebe es, ein Puzzle dieser Art zu lösen. Bisher gab es noch keinen Fall, der nicht mit genügend Zeit und Elan an die Staatsanwaltschaft weitergereicht werden konnte. Jeder Täter und damit jede seiner Taten hat eine Schwachstelle, die es zu finden und dadurch das Momentum umzukehren gilt. Das perfekte Verbrechen gibt es in der echten Welt einfach nicht. (http://www.computec.ch/news.php?item.270) Und die meisten Täter sind zu dumm, diesen Sachverhalt als solchen zu verstehen. Sehr gerne würde ich nach Abschluss eines Falls oder noch während der laufenden Ermittlungen meine Erlebnisse und Gedankengänge zu Papier bringen. Besonders die falschen Fährten, an die man sich heftet, erfreuen mich bei ihrer eigentlichen Identifikation mit einer sonderbar selbstironischen Freude. "Da hat man mich reingelegt", sage ich zu mir, um dann im selben Atemzug zu versuchen, nun den Täter reinzulegen. Das Problem hierbei ist, dass es in der Natur der Sache liegt, dass man nicht über Ermittlungen - ganz besonders nicht im Rahmen eines laufenden Verfahrens - berichtet. Einerseits würde man den bösen Jungs in ungewollter Weise in die Karten spielen. Andererseits kann eine solche Exponierung zu Repressalien für sich selbst und die beteiligten Personen führen. Aus diesem Grund bleiben viele Geschichten für sich alleine, werden wohl nie oder höchstens in ferner Zukunft und in abstrakt losgelöster Weise an die Öffentlichkeit getragen. Doch bis dann, so wird es vielleicht der Fall sein, wird sich niemand mehr für diese alten Geschichten interessieren.