Religion, Esoterik, Philosophie und Logik Marc Ruef | 16.05.2011 Als Kind war ich fasziniert vom Übernatürlichen. Wer kann schon von sich behaupten, dass er mit neun Jahren entweder Parapsychologe (dank Ghostbusters) oder Informatiker (dank Tron) werden wollte. Eine Unmenge an Bücher habe ich zum ersten Thema verschlungen. Vor allem Ausserirdische, aber auch Poltergeisterscheinungen und Telekinese haben es mir angetan. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich mir etwa 10 Jahren in einem hiesigen Laden für esoterische Bücher der Verkauf eines Buchs zu Psi-Phänomenen verwehrt wurde. Derlei Dinge könnten ein junges Gemüt wie das meine verstören, hat es geheissen. Damals wie heute muss ich dieser spezifischen Situation mit Unverständnis entgegnen. Ich war und bin ein äusserst kritischer Zeitgenosse, der die besagten Berichte mit einem Höchstmass an Skeptizismus gelesen hat. Bestes Beispiel waren die Ufo-Sichtungen, deren Interview- und Bild-Material ich mit äusserster Aufmerksamkeit studiert habe. Immer darauf bedacht, Ungereimtheiten zu entdecken. Und diese liessen sich zu Hauf finden. Ich freute mich sowohl ab den entdeckten Widersprüchen als auch am (vermeintlichen) Ausbleiben derer. Auch heute stehe ich diesen Dingen sehr skeptisch gegenüber. Nicht, dass ich nicht an das Unbekannte glauben würde - Sonst könnte ich mich ja nicht für Quantenmechanik und Kosmologie begeistern. Aber der Schluss, dass nur weil es Dinge gibt, die wir noch nicht verstanden haben, es etwas unerklärlich Übernatürliches gibt, halte ich für zu einfach gestrickt. Durch verschiedene Methoden hat man immerwieder versucht aufzuzeigen, dass verschiedene Medien mit psychologischen und handwerklichen Tricks arbeiten. Verschiedene Mentalisten haben ihre Künste dieser Art schon offengelegt. Gerade aus seichten Kreisen der Esoterik hört man in dieser Diskussion gerne, dass man mit der genauen Betrachtung durch Wissenschaft und Logik dem ganzen Zauber seine Magie nehmen würde. Spätestens dann, wenn das Gespräch hier angelangt ist, werde ich ungehalten. Das Erwerben von Wissen kann nie Magie zerstören, es kann sie viel mehr stützen oder gar aufbauen. Ist es nicht schön zu verstehen, wie gleichmässig sich Schallwellen ausbreiten oder welche spannenden Auswirkungen Gravitation auf Licht hat? Oft wird gesagt, dass man mit einer mathematischen Betrachtung den Dingen ihre Schönheit rauben würde. Derjenige, der diese Meinung vertritt vergisst jedoch, mit welcher Eleganz sich viele natürliche Prozesse durch Fibonacci-Zahlen skizzieren lassen. Wenn ich mal wieder irgendwo einen spannenden Artikel zu parapsychologischen Phänomenen finde, lese ich ihn. Doch solange grundlegende Fragen dieser Fachgebiete für mich nicht anstandslos geklärt sind, bleibt das Ganze nur ein unsystematisches Beobachten von Zaubertricks und Ammenmärchen. Diese Fragen sind: 1. Geburtshoroskope erfordern die zusätzliche Angabe der Geburtszeit. Wie wird diese genau bestimmt? (Beim Heraustreten des ersten Körperteils, beim Freimachen des Kopfes, beim Durchtrennen der Nabelschnur, beim ersten Schrei, etc.) Solange dies nicht exakt definiert ist, ist die Zeitangabe relativ, damit nutzlos und lediglich als pseudowissenschaftliches Attribut zu verstehen. 2. Wenn sich durch Sterndeutung zweifelsfrei die Zukunft voraussagen lässt, dann muss in unserem Universum Determinismus vorherrschen und damit die in der Quantenphysik beobachtete Zufälligkeit ausgeschlossen werden können (siehe Kopenhagener Deutung). Wie lassen sich diese widersprüchlichen Theorien miteinander vereinen? Diese Widersprüchlichkeit, kann sie denn nicht aufgelöst werden, muss zwangsweise eine der beiden Schulen negieren. 3. Sollte sich in Punkt 2 die Quantenphysik mit ihrer Zufälligkeit widerlegen oder ausschliessen lassen, dann herrscht in unserem Universum Determinismus. In diesem Fall wäre der weiterführende Schluss erforderlich, dass kein Lebewesen als Teil dieses Universums einen freien Willen haben kann (da sich ein solcher nicht lohnt). 4. Wieso sollen unterschiedliche Distanzen von Himmelskörpern zu einem bestimmten Zeitpunkt spirituellen Einfluss auf das Leben eines Menschen ausüben können? Wieso werden hierfür nicht Daten wie Anzahl vergebener Telefonnummern bei der Geburt oder das Durchschnittsalter aller Menschen in Ungarn verwendet? Siehe hierzu auch die statistische Auswertung von Peter Hartmann et al. (http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6V9F-4J2TS96-3&_user=10&_handle=V-WA-A-W-AY-MsSAYWA-UUW-U-AAVYVVZEAW-AAVZUWDDAW-YAEDVUUEY-AY-U&_fmt=summary&_coverDate=05%2F31%2F2006&_rdoc=5&_orig=browse&_srch=%23toc%235897%232006%23999599992%23618496!&_cdi=5897&view=c&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=fa51bf17b00791c6acc174e452fc0421). 5. Wieso wird sich in einem progressiven Horoskop auf das Dezimalsystem verlassen, wenn auch grad so gut ein anderes Zahlensystem zum Einsatz kommen könnte (was wiederum zu gänzlich anderen Resultaten führen würde)? Und welchen Einfluss haben unterschiedliche Kalendersysteme und ihre Korrekturen (z.B. die Sonnengleichung des gregorianischen Kalenders) auf das Erstellen von Horoskopen? 6. Wieso kann in der Numerologie jede Zahl als Positiv und Negativ verstanden werden? Ohne eine klare Zuweisung von Eigenschaften lassen sich auch keine Entwicklungen ableiten, wodurch der ganze Prozess unnütz wird und mit dem Wurf einer Münze gleichgesetzt werden muss. Und inwiefern sind die "soziogeographisch" unterschiedlichen Wahrnehmungen von Zahlen (z.B. ist die Zahl 4 in Japan/China genauso gemieden wie bei uns die Zahl 13) rechtfertigbar? (siehe hierzu auch die "Radosophie" von Cornelis de Jager) 7. Wieso ist statistisch immerwieder der Barnum-Effekt zu beobachten (z.B. bei Horoskopen, Wahrsagung, etc.) und wie kann dieser durch einen Verfechter der Esoterik widerlegt werden?