Meine Verachtung für Datendiebe Marc Ruef | 20.08.2012 Die letzten Jahre waren turbulent für den Finanzplatz Schweiz. Als kulturelles Phänomen sind mitunter Datendiebe dafür verantwortlich zu machen. Also Personen, die sensitive Daten stehlen und weiterverkaufen. In der Regel handelt es sich um interne Mitarbeiter, die Kundendaten entwenden und anderen Staaten zum Kauf anbieten. Die anderen Staaten erhoffen sich daraus, Steuersünder ausmachen und diese zur finanziellen Verantwortung ziehen zu können. Der wohl bekannteste Fall, der die gesamte Branche wachgerüttelt hat, drehte sich um Heinrich Kieber. Der Liechtensteiner mit problematischer Vergangenheit wurde im Februar 2008 als Informant für den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) enttarnt. Er hatte seinem langjährigen Arbeitgeber LGT Bank Daten zu deutschen Steuersündern entwendet, die er dann für angebliche 4.6 Millionen Euro an den deutschen Staat verkauft hat. Kieber ist bis heute auf der Flucht. Eine ähnliche Geschichte entfaltete sich um den französisch-italienischen Informatiker Hervé Falciani, der im August 2009 den französischen Behörden eine Liste mit Kundendaten mutmasslicher Steuersündern der HSBC zum Kauf anbot. Im Januar 2010 wurden die gestohlenen Daten von Frankreich wieder an die Schweiz zurückgegeben. Dabei behielt Frankreich jedoch Kopien zurück und leitet mit diesen Verfahren gegen die Steuersünder ein. Falciani wurde am 1. Juli 2012 in Barcelona verhaftet und soll an die Schweiz ausgeliefert werden. Der Schweizer Rudolf Elmer inszenierte sich sich 2008 als Whistleblower und wollte Unregelmässigkeiten bei seinem Arbeitgeber Julius Bär bekannt machen. Mittlerweile hat er aber fast 20 Jahre da gearbeitet und war gar für die Cayman Islands zuständig. Dass die Caymans als Hort für Schwarzgelder und Geldwäsche gelten, ist seit jeher bekannt. Es zeugt somit entweder von Dummheit oder Dreistigkeit, dass Elmer diesen Fakt erst nach zwei Dekaden persönlichen Profits als nicht annehmbar erkennen sollte. Im Januar 2011 verurteilte ihn das Bezirksgericht Zürich in erster Instanz wegen mehrfacher versuchter Nötigung, Drohung und Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses. In der Berichterstattung - vor allem ausgehend der Länder, die am Kauf der Hehlerware interessiert sind - wird gerne behauptet, dass dieses vermeintliche Whistleblowing aus ehrenhaften Motiven geschehe. Die Datendiebe würden Unrecht öffentlich machen und sowohl Bank als auch Steuersünder an die Justiz liefern. Aber spätestens dann, wenn die Diebe grossen finanziellen Profit aus ihren Taten schlagen wollen, kann ich kein ehrenhaftes Whistleblowing mehr erkennen. Dann geht es nur um persönliche Bereicherung und - wie im Fall von Kieber - um Rache. Ich will in keinster Weise Unrechtmässigkeiten im Finanzbereich in Schutz nehmen. Geldwäsche und Steuerbetrug sind unentschuldbare Delikte, die juristisch geahndet werden sollen - Sowohl Banken als auch ihre Kunden sind in die Pflicht zu nehmen. Trotz anders lautender landläufiger Meinung steht die Schweiz mit StGb Art. 305bis (http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a305bis.html), 305 (http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a305.html) und 305ter (http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a305ter.html) sowie ihrem gelebten Geldwäschereigesetz (GwG) ziemlich gut da. Ein Rechtsstaat muss aber auf der Basis einer verhältnismässigen Gesetzgebung arbeiten. Der Ankauf von gestohlenen Daten, offensichtlicher Hehlerware, ist dabei ebenso eine Straftat. Unrecht kann man nicht mit Unrecht wieder richtig machen. Denn dadurch wird Datendieben erst eine Plattform geboten. Länder wie Deutschland, die sich heute einen politischen Vorteil aus solchen Datenkäufen erarbeiten, werden längerfristig ebenso in eigenen Reihen mit diesem Phänomen zu kämpfen haben. Und dann wird es nur noch kleinlaut heissen: "Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los."