Der lange Arm des Gesetzes Marc Ruef | 01.10.2012 Spätestens wer diese Zeilen liest, dem kann ich es nicht verleugnen: Ich spreche gerne über meine Arbeit. Doch meist halte ich mich zurück, wenn ich jemand neues kennenlerne. Die meisten interessieren sich nicht wirklich für Informationssicherheit und zudem bin ich es auch leid, ständig über meine Arbeit zu reden. Dennoch geschieht es immerwieder, dass früher oder später jemand wissen will, warum ich nicht schon lange kriminell geworden bin ... Oder wie sie vielleicht selber am schnellsten Profit aus der Welt von Cybercrime schlagen können. Ich beantworte solche Fragen immer gleich. Zum ersten kann ich mit meinem Wissen ganz gutes Geld verdienen, ohne mich in zwielichtige Kreise herablassen zu müssen. Und zum zweiten ist der Arm des Gesetztes ziemlich lang, denn die meisten Kriminellen werden früher oder später erwischt. Leute, die in Gedanken mal gerne ein Verbrecher wären, ignorieren die Fallstricke einer solchen Tätigkeit. Ein schier unmögliches Mass an Professionalität muss gewahrt werden, um nicht versehentlich oder fahrlässig etwelche Spuren zu hinterlassen. Die meisten Leute, die ich kenne, erreichen bei ihrer alltäglichen Arbeit noch nicht einmal einen Bruchteil dieser Professionalität - Wieso sollten sie sie plötzlich im Rahmen eines Verbrechens erlangen können? Diese Professionalität bedinge ebenfalls, das man sich weitestgehend einschränkt. Kommunikationen werden plötzlich kompliziert: Wann kommuniziert man mit wem, über welche Kanäle und welche Informationen will man übertragen? Zudem sollte eine zusätzliche Infrastruktur für einen solchen Datenaustausch eingesetzt werden, um alltägliche Kommunikationen nicht zu tangieren. Ist die zwielichtige Infrastruktur kompromittiert, kann sie aufgrund des modularen Einsatzes schnell ersetzt werden. Aber wer macht das schon gerne? Spätestens beim dritten Mal will man diese niedere Arbeit lieber jemand anderem überlassen. Doch soll man extra jemanden hierfür einweihen? Kann man ihm vertrauen? Kann man überhaupt noch jemandem vertrauen? Gibt es einen Kodex unter Kriminellen? Und wird dieser in hitzigen Situationen wirklich gelebt? Wer garantiert mir, dass mein Partner in Rahmen einer polizeilichen Einvernahme nicht plötzlich meine Identität preisgibt, um seinen Kopf zu retten? Als Perfektionist müsste man auf Partner verzichten. Doch alles alleine machen kann man nicht. Spätestens beim Verkauf von Hehlerwahre ist der Käufer als Partner wahrzunehmen. Wie interagiere ich mit ihm? Welche Informationen über mich kann er sammeln und können diese irgendwann gegen mich verwendet werden? In meinem Beitrag Das Dilemma des perfekten Verbrechens (http://www.computec.ch/news.php?item.270) bin ich zum Schluss gekommen, dass es ein solches nicht geben kann ... Es sei denn, man agiert ohne Motiv und Vorteil. Doch wozu dann ein Verbrecher werden, wenn man keinen Nutzen daraus ziehen kann? Dies gilt ebenso für Computerkriminalität. Auch wenn es mir viele nicht glauben wollen. Man geht immer davon aus, dass man nach einem cleveren Hack für den Rest des Lebens ausgedient hat. Ich habe mal berechnet, dass ich mindestens 4.2 Millionen Schweizer Franken benötige, um alleine von den Zinsen für den Rest meines Lebens den jetzigen Lebensstandard aufrecht erhalten zu können. Diese Geldmenge im virtuellen Raum stehlen zu können, das ist grundsätzlich möglich. Doch ist es ebenso eine Geldmenge, die mich zu einem gesuchten Mann machen würde. Ich wäre theoretisch 4.2 Millionen Schweizer Franken wert. Doch wie kann ich nun dieses Geld aus dem virtuellen Raum in die Realität bringen? Wie kann ich eine solche Menge Bargeld abholen, ohne mich dabei erkennen zu geben? Und wie kann ich es waschen? In der Schweiz würde spätestens das Steueramt Verdacht schöpfen, wenn ich ohne Einnahmen weiterhin meine Wohnung beziehen könnte. Und ins Ausland absetzen würde ich nicht wollen, denn ich will ja schliesslich meinen Lebensstandard behalten. Für mich komme ich deshalb stetig zum Schluss: Verbrechen lohnt sich nicht. Mir fehlt der beständige Perfekionismus und ich mag meine Freiheit, Unbekümmertheit und Unabhängigkeit. Da verzichte ich liebend gern auf 4.2 Millionen Schweizer Franken.