Psychologische Manipulation im Hypothekarzinsumfeld Marc Ruef | 07.04.2014 Gestern warnte der Blick am Sonntag mit der Schlagzeile Immobilien-Besitzern drohen massiv höhere Zinsen (http://www.blick.ch/news/wirtschaft/immobilien-besitzern-drohen-massiv-hoehere-zinsen-id2777244.html). Die Kernaussage schlug sich wie folgt nieder: "In Tiefzinsphasen wie heute sollen Eigenheimbesitzer nicht mehr mit dem normalen Zins auf ihrem Hypokredit davonkommen. Neu sollen sie jenen Zins zahlen, mit dem die Banken intern in ihren Sicherheitsmodellen rechnen. Dieser kalkulatorische Zins liegt bei rund fünf Prozent und ist damit mindestens doppelt so hoch wie der Hypothekarzins." Eine Vielzahl an Zeitungen und Zeitschriften hat diese Implikation und die mit ihr mitschwingende (http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/Vergaberegeln-fuer-Hypotheken-sollen-drastisch-verschaerft-werden/story/24790384) Empörung (http://www.watson.ch/!685769935) übernommen (http://www.20min.ch/finance/news/story/Hauskaeufer-sollen-mehr-bezahlen-27609143). Und diese hat sich sowohl bei den Immobilien-Besitzern als auch bei den Mieter in den dazugehörigen Kommentaren niedergeschlagen. Zu Unrecht, wie ich meine. Hier liegt stattdessen ein wunderbares Beispiel der Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung durch die Bankiersvereinigung vor. Banken waren bisher immer angehalten, die Belehnungsgrenze anhand des durchschnittlichen Zinses von 5% zu berechnen. Wer einen Zinsanstieg bis auf 5% bei seinem Einkommen nicht verkraften kann (der dabei anfallende Hypozins darf ein Drittel des Einkommens nicht übersteigen), der kriegt keine Hypothek. Der Vorschlag der Finma ändert daran gar nichts. Der folgende Absatz versucht stattdessen zu suggerieren, dass es unmittelbare Nachteile für Immobilien-Besitzer gibt und in erster Linie nur für diese: "Die Belastung für Käufer und Besitzer von Wohneigentum steigt massiv. Bei einer Hypothek von 800000 steigen die Kosten um mehr als 10000 Franken pro Jahr (...). Für viele Familien würde Wohneigentum damit wohl unerschwinglich." Wenn der Zins, wie momentan für eine 10-jährige Hypothek, bei 2% liegt, dann sind 16'000 CHF pro Jahr (oder 1'333 CHF pro Monat) dafür aufzuwenden. Daran wird sich auch beim neuen Vorschlag nichts ändern. Aber stattdessen werden die Kosten auf 5% aufgerundet. Dies entspricht dann 40'000 CHF pro Jahr (oder 3'333 CHF pro Monat). Dabei wird die Differenz von 3% in die Amortisation gesteckt. Pro Jahr wird also 24'000 CHF gespart. Die Belehnung nimmt damit, wenn man denn ein variables Modell anwendet, stetig ab und damit ebenfalls die Zinsbelastung. Wer sich das nicht leisten kann, der würde auch bei einem realen Anstieg der Hypozinsen auf 5% eben diese nicht tragen können. Und dann wäre die ganze Risikokalkulation, die auf diesen 5% basieren, ein zahnloser Tiger gewesen. Die Bankiers versuchen mit allen Mitteln die neue Regelung für Immobilien-Besitzer wenig schmackhaft zu machen: "Die Banken fürchten, dass ihre Erträge noch stärker unter Druck kommen. Durch die neuen Vorschriften würde das Hypothekargeschäft zu einem Kartell, sagt ein Banker, der anynom bleiben will. Die Institute könnten sich kaum mehr voneinander abheben." Die Grundaussage ist falsch. Zwar würden überall die gleichen 5% als Zahlung erwartet werden. Die Banken können sich aber durch die Anpassung der Margen und damit der Zuteilung in die Amortisation, voneinander abheben. Der Wettbewerb wird nach wie vor zu Gunsten der Kreditnehmer stattfinden. Und wer Vergleichsofferten für eine Hypothek eingeholt hat weiss, dass es da durchaus Spielraum (https://www.comparis.ch/hypotheken/zinssatz/vergleich.aspx?term=10) bei den jeweiligen Instituten gibt. Das Ziel der Banken ist es, dass Hypotheken möglichst hoch ausfallen und lange bestehen. Denn nur so können sie den anfallenden Hypozins als Einnahme verbuchen. Eine schnell und umfassend zurückbezahlte Hypothek ist gar nicht in ihrem Sinn, da sie daran nichts verdienen. Zur Zeit wird Eigenheimbesitzern steuerlich der Eigenmietwert als fiktive Einnahme auferlegt. Im Gegenzug können die Hypothekarschulden abgezogen werden. Wer viele Schulden hat, vermag dieses Gleichgewicht zu seinem steuerlichen Vorteil zu verschieben. Ab einer gewissen Stufe des Abzahlens der Hypothek wird ein Punkt erreicht, in dem die Hypozinsbelastung und die Eigenmietwertbelastung möglichst gering sind. Steuerlich lohnt es sich, diesen Grenzwert zu bestimmen und durch Abzahlungen zu erreichen. Die Kalkulation mit einer Steuersoftware (z.B. EasyTax) sind relativ simpel. Die Banken werden alles daran tun, den Eigenmietwert zu erhalten. Denn er ist der Hauptfaktor, der das Zurückzahlen der Hypothekarschuld unattraktiv macht. Und der Staat ist auch nicht von sich aus interessiert daran, dagegen zu halten. Denn er verdient natürlich an den damit einhergehenden Steuereinnahmen. Wenn ich persönlich nun entscheiden müsste, ob ich meiner Bank mehr Hypozinsen oder in den Steuern mehr aufgrund des Eigenmietwerts bezahlen müsste, würde ich letzteres wählen. Denn diese Steuern fliessen zurück in die Gemeinde, in der ich lebe. Davon profitiert mein direktes Umfeld und auch ich. Deshalb bin ich sehr stark um das konsequente Abzahlen meiner Hypothek bemüht. Und das will der vom Blick gesteuerte Artikel genau verhindern.